Bürgerinnen und Bürger müssen die Finanzmisere ausbaden!
Rede zum Haushalt 2003 des Landkreises Esslingen vom Fraktionsvorsitzenden OB Alfred Bachofer, Nürtingen –
Man könnte der rot-grünen Bundesregierung ihre Politik verzeihen, wenn sie wenigstens bei denen ankommen würde, für die sie bestimmt sein soll – besser gesagt, wenn sie denen nützen würde, die man mit Versprechungen, die man jetzt nicht hält, zur Stimmabgabe überredet hat.
Was hilft den neuen Bundesländern der vollmundig angekündigte Aufbau Ost, wenn die lahmende Wirtschaft die Steuern für die Transferleistungen nicht mehr aufbringt?
Hat die Umwelt etwas von der sozial völlig unausgewogenen Ökosteuer, wenn die Einnahmen noch nicht einmal reichen, um die Lohnnebenkosten stabil zu halten? Ist es einem Langzeitarbeitslosen ein Trost, wenn mit Hilfe der Gewerkschaften diejenigen, die in Arbeit und Brot sind, einen überzogenen Lohnabschluss erhalten und wenn ein verschärfter Kündigungsschutz Neueinstellungen behindert? Was nützt die Ankündigung, ein milliardenschweres Investitionsprogramm aufzulegen, wenn man gleichzeitig den Gemeinden, deren Ausgaben zielgerichtet in die Wirtschaft fließen, über Aufgabenverlagerung ohne finanziellen Ausgleich den letzten Euro aus der Kasse nimmt?
Die Reduzierung der Eigenheimzulage ist Gift für die angeschlagene Bauwirtschaft und Familien mit Kindern müssen sich verhöhnt vorkommen, wenn sie mit der angeblich familienfreundlichen Neuregelung erst mit 6 Kindern so viel Baukindergeld kriegen, wie bisher mit 3 Kindern. Die Verschärfung des Mietrechts hat innerhalb kürzester Frist zu einer Verknappung an Mietwohnungen geführt, die Leidtragenden sind auch hier sozial benachteiligte Familien.
Die Leistungen in der Behindertenhilfe können nicht mehr finanziert werden und es weiß auch keiner, wo das Geld für das Grundsicherungsgesetz herkommen soll.
Wahrhaft eine bemerkenswerte Bilanz.
Niemandem ist gedient, wenn man die Wirtschaft, im Besonderen den Mittelstand, mit einer Rekordsteuerlast und bürokratischen Hemmnissen schwächt. Nur florierende Unternehmen erwirtschaften das Geld, um soziale Leistungen zu finanzieren, können in Umweltschutz investieren, schaffen Arbeitsplätze und zahlen die Steuern, die die öffentliche Hand, und ganz besonders die Kommunen, brauchen.
Seit Jahrzehnten waren die Kommunen nicht mehr in einer derart desolaten Finanzsituation. Die angekündigte Gemeindefinanzreform und die Vorschläge zur begrenzten Anrechenbarkeit von Verlustvorträgen kommen mir vor wie die Botschaft an einen Ertrinkenden, dem man zuruft, das Wasser stehe nicht mehr zwei, sondern nur noch einen Meter über seinem Kopf.
Es ist nicht mehr das pflichtgemäße Jammern der Kämmerer, wenn die überwiegende Zahl der Gemeinden und Landkreise auf Jahre hinaus keine Chance mehr sieht, mit vertretbaren Maßnahmen die Haushalte auszugleichen.
Natürlich trägt die alte und neue Regierungskoalition nicht allein die Verantwortung für diese Misere, aber in wesentlichen Teilen schon. Schon das Verschweigen der Wahrheit vor der Wahl – Stichworte sind das Haushaltsdefizit, die Kosten im Gesundheitswesen, keine Steuererhöhungen und, und, und ….erschüttert das Vertrauen – und gerade das bräuchte unsere Volkswirtschaft am nötigsten.
Eine bemerkenswerte Botschaft habe ich auch der Regierungserklärung von Kanzler Schröder entnommen. Er verkündet Ganztagesbetreuungsplätze für 20 % der Kinder unter 3 Jahren, zuständig sind wieder die Gemeinden.
Finanziert werden soll dies nach seiner Aussage durch Einsparungen, die die Umsetzung des Hartz-Papiers den Kommunen angeblich erbringen wird. Zunächst treibt man die Soziallasten rücksichtslos in die eine ungeahnte Höhe, behauptet dann, es würde eine Reduzierung eintreten und bezeichnet dies als Finanzierungslösung.
Sie fragen, was das mit einer Rede zum Kreishaushalt zu tun hat? Sehen Sie ihn an, er ist das Produkt der von mir kritisierten Politik. In der Region Stuttgart tritt mit dem Regionalverband noch eine weitere Ausgabenebene hinzu, die statt Sparen unentwegt nach noch mehr Betätigungsfeldern, sprich: nach mehr politischem Einfluss, sucht. Die Folge wäre eine Kostenlawine, von der selbst die Parteien in der Regionalversammlung, die das ständig fordern, keine Vorstellung haben.
Die Gemeinden und Landkreise müssen das alles ausbaden, genauer gesagt die Bürgerinnen und Bürger, denn auf diesen Ebenen müssen jetzt Steuern erhöht und Leistungen drastisch beschnitten werden.
Immer in solchen Zeiten kommt – und man muss sogar Verständnis dafür haben – der Ruf nach einer Verwaltungsreform. Die einen wollen die Landkreise abschaffen, die anderen die Regierungspräsidien – in manchen Köpfen spukt ein Regionalkreis oder gar eine Regionalstadt. Doch erschöpft man sich stets im Zuständigkeitsgezerre anstatt sich einer echten Aufgabenkritik zu stellen: Der öffentlichen Hand wird auf lange Zeit Geld fehlen, also muss in erster Linie geprüft werden, was muss wirklich vom Staat erledigt werden, welche Leistungen sind tatsächlich unverzichtbar, erst danach geht es um Organisationsfragen, wobei es eine Lebenserfahrung ist, dass die Verlagerung nach oben und die Schaffung größerer Verwaltungseinheiten noch nie Personal und Geld gespart hat.
Grundsätzliches zum Haushalt 2003
Niemand wird ernstlich behaupten, dass die finanzielle Schieflage der Kommunalhaushalte völlig überraschend kommt. Lediglich das Maß übersteigt selbst die Vorstellungskraft von Pessimisten. Interessant ist, dass die Situation der wichtigsten öffentlichen Hand, der Kommunen, weder vor noch nach der Wahl in Berlin ein zentrales Thema war und ist. Deshalb werde ich den Verdacht nicht los, dass man den Ernst der Lage nicht realisiert oder zumindest verdrängt. Leider gilt dies in weiten Teilen auch für die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis.
Dieser Haushalt ist der Einstieg in die schwerste kommunale Finanzkrise, an die ich mich erinnern kann. Trotzdem darf man den Begriff Not- oder Katastrophenhaushalt nicht verwenden, den brauchen wir für die kommenden Jahre. Wir hatten es gerade geschafft, nach Jahren der Haushaltsfehlbeträge wieder etwas festen Boden unter den Füßen zu bekommen, mit dem Abbau der nicht vertretbaren Verschuldung zu beginnen, die Kreisumlage etwas zu senken (obwohl wir damit immer noch an der Spitze im Land liegen) und die Finanzierung einer Reihe von Großbauvorhaben sicher zu stellen.
Angesichts der Perspektive der nächsten Jahren klaffen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander.
Ausgelöst durch eine Vielzahl von Faktoren droht uns die mittelfristige Finanzplanung mit nahezu 45 Punkten einen Anstieg der Kreisumlage an, der es, gestatten Sie mir diesen Sarkasmus, einen Eintrag im ins Guinessbuch der Rekorde verdient. Dies wäre im Vergleich zu 1991, trotz eines Anstiegs der Steuerkraft von (nur) 20 %, eine Verdoppelung des Hebesatzes – ein beispielloser Vorgang. Damals führten die Städte und Gemeinden noch 43 % ihrer Steuerkraft an den Kreis und das Land ab, jetzt werden die 60-%-Grenze knacken.
Der Böblinger Landrat Bernhard Maier hat bei der Einbringung des dortigen Haushalts ausgeführt, eine Anhebung der Kreisumlage von bisher 32,5 auf 36 Punkte sei nicht vertretbar, weil dann in den Gemeinden die Lichter ausgehen würden. Im Vergleich zu uns leben die Böblinger geradezu im Paradies. Wir müssen daher erneut der Frage nachgehen, weshalb unser Landkreis im Vergleich zu den übrigen in der Region 4 Punkte, das sind immerhin 17 Mio Euro, mehr Kreisumlage verbraucht.
Dies ist unsere Pflicht als Umlagefinanzierer, denn wir müssen uns an der Lage derer orientieren, denen wir in die Tasche greifen müssen.
Antrag 1
Die Kreisverwaltung zeigt im Rahmen der Einsparuntersuchungen wesentliche kreisumlagerelevante Unterschiede in den Haushalten der Landkreise in der Region Stuttgart auf.
Mit Blick auf die zu erwartende Entwicklung dürfen wir uns nicht darauf beschränken, einen irgendwie vertretbaren Ausgleich des Haushalts 2003 zu erreichen – zu klar sind die negativen Signale für die kommenden Jahre.
Die Finanzausgleichsmechanismen funktionieren nicht mehr
Die Steuerkraft der Gemeinden wird zurückgehen
Die Umlage des Landeswohlfahrtsverbands wird steigt dramatisch steigen
Die Umlagen des Verbands Region Stuttgart werden deutlich höher, dies gilt insbesondere für die vom Kreis aufzubringende Verkehrsumlage, die von heute 50 Mio Euro auf 65 Mio Euro in 2006 klettern wird
Auch bei einer weiter steigenden Kreisumlage werden wir in den kommenden Jahren keine ausreichende Investitionsrate erwirtschaften, oder anders ausgedrückt: jeder zusätzliche Euro im Vermögenshaushalt muss, soweit nicht Zuschüsse Dritter bereit stehen, über Schulden finanziert werden. Wir marschieren zielstrebig auf eine Marke von 180 Mio Euro zu.
Eine Hauptursache dieser Schieflage ist der völlig aus den Fugen geratene Sozialhaushalt, der schon heute 78 % der Kreisumlage aufzehrt. Herr Landrat Eininger hat in seiner Einbringungsrede die Ursachen aufgezeigt und einen Forderungskatalog zur Verminderung dieser Lasten an Bund und Land formuliert. Wer aber glaubt an seine Durchsetzung? Deshalb müssen wir eigene Anstrengungen zur Verbesserung der Struktur des Kreishaushalts unternehmen. Darauf komme ich später zurück.
Anmerkungen zu den einzelnen Fachausschüssen
Den folgenden Anmerkungen zu den Fachausschüssen muss ich die generelle Aussage voranstellen, dass es sich angesichts der eingangs beschriebenen Situation verbietet, Freiwilligkeitsleistungen aufzustocken oder gar neue zu begründen, sofern nicht ein unabweisbarer Bedarf besteht. Entsprechendes gilt für Investitionen. Es können nur begonnene Maßnahmen fortgesetzt, Verpflichtungen erfüllt oder Projekte in Angriff genommen werden, für die Komplementärmittel bereitstehen. Dass eine solche Haltung, die im kommunalen Raum zwangsläufig Platz greifen wird, Gift für die Konjunktur ist, muss man nicht noch betonen.
Ausschuss für Technik und Umwelt, Betriebsausschuss für Abfallwirtschaft
Das Leben in diesem Ausschuss ist regelrecht geruhsam geworden. Er ist auch der einzige, der noch Frohbotschaften verkünden kann, nämlich einmal im Jahr die Senkung der Abfallgebühren. Die Mannschaft um Rolf Hahn leistet gute Arbeit, profitiert allerdings auch von der Kostendeckung durch brave Gebührenzahler.
Wenigstens auf diesem Feld lernen unser Landrat und wir das Gefühl kennen, keine Schulden zu haben. Trotzdem kann keine Zufriedenheit aufkommen, weil noch nicht alle Potentziale ausgeschöpft sind. In 4 Jahren hat es die Bundesregierung nicht geschafft, eine umweltgerechte Gewerbeabfallverordnung auf die Beine zu stellen. Kann man nicht oder will man nicht? Man bekommt auch zunehmend Zweifel, ob die Verpflichtung, dass Abfälle ab 2005 nur noch inert, d.h. in der Regel nach Behandlung in einer Verbrennungsanlage deponiert werden dürfen, bestehen bleibt. Es muss immer wieder daran erinnert werden, dass nicht die Hausmüllentsorgung die Ursache für Überkapazitäten auf den Deponien und den Stuttgarter Vertrag ist, sondern die seinerzeitige Gewerbemülllawine, die mittlerweile im Landkreis zu einem Rinnsal geworden ist. Nicht weil der Gewerbemüll so dramatisch abgenommen hat, sondern weil er als sog. Wertstoffgemisch alle möglichen Wege nimmt, nur nicht in unsere für viel Geld geschaffenen Entsorgungseinrichtungen. Verehrter Herr Trittin, auch Gebührengerechtigkeit ist ein Teil der sozialen Gerechtigkeit.
Weil nur ein solide finanzierter Haushalt Freiwilligkeitsleistungen für den Umweltschutz erbringen kann, müssen die Mittel für die Förderung von Naturschutzmaßnahmen im Verwaltungs- und im Vermögenshaushalt gestrichen werden.
Antrag 2
Die Mittel für Naturschutzförderung im Verwaltungs- und im Vermögenshaushalt werden gestrichen bzw. bis zur Vorlage des kompletten Sparpakets gesperrt.
Antrag 3
Im Etat für die Feuerwehren ist eine Unfallzusatzversicherung ausgewiesen, die den gesetzlichen Unfallschutz ergänzen soll. Im Rahmen des Sparkatalogs ist anhand der Vorjahre zu untersuchen, ob eine zwingende Notwendigkeit besteht bzw. das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt.
Außerdem soll der Ausschuss über die geplanten Zuschüsse für Stützpunktfahrzeuge informiert werden. Zeitliche Verschiebungen müssen geprüft werden.
Hinweisen möchten wir noch darauf, dass der Verwaltungshaushalt dadurch geschönt ist, dass Straßeninstandsetzungsmaßnahmen für 1,8 Mio Euro, die zumindest teilweise auf zwangsweise unterlassene Unterhaltung zurückzuführen sind, im Vermögenshaushalt veranschlagt sind.
Antrag 4
Dieser Der Planansatz Straßeninstandsetzung wird erst nach Durchführung der angekündigten Straßenbesichtigungstour des ATU bewirtschaftet. Dabei ist uns natürlich klar, dass diese Gelder eher zu knapp bemessen sind, um den Substanzverlust in unserem Straßennetz aufzuhalten.
Als weitere Beispiele für das von der Verwaltung zu erbringende Sparpaket sind die Ansätze für den Wasserverband Aich und Aufwendungen für Fremdenverkehrswerbung zu nennen.
Der Planansatz für die Förderung überörtlicher Buslinien hat mittlerweile ein Volumen von 500 000 Euro erreicht. Unsere Fraktion hatte seinerzeit diese Entwicklung vorgesehen. Die Haushaltslage lässt eine weitere Steigerung nicht mehr zu.
Antrag 5
1. Der Planansatz 712200 ÖPNV-Zuschüsse wird auf dem heutigen Niveau eingefroren. Neue Bewilligungen erfolgen bis auf weiteres nicht.
2. Der Planansatz für die ÖPNV-Bedienung des Paracelsus-Krankenhauses in Ruit (67 000 Euro) bedarf der erneuten Beratung. Unseres Erachtens handelt es sich um eine innerörtliche Linie, die zudem in Konkurrenz zur Stadtbahn steht.
Der Kreis steht vor der Bewältigung riesiger Investitionsvorhaben im Bereich Schulen und Krankenhäuser. Knappes Geld zwingt mehr denn je zu einer optimalen Wirtschaftlichkeit durch vernünftige Planung und Projektsteuerung. Die konsequente Wahrnehmung der Bauherrenfunktion bekommt größtes Gewicht. Die Vorgänge um den Bettenbau des Krankenhauses Kirchheim, Einzelheiten unterliegen der Vertraulichkeit, und auch das Auf und Ab bei den Schulplanungen in Nürtingen lassen in unserer Fraktion große Zweifel daran aufkommen, ob der Kreis personell und organisatorisch richtig aufgestellt ist. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass die Abwicklung von Großbauvorhaben an einer qualifiziert besetzten Stelle in der Verwaltung und in einem Ausschuss gebündelt werden müssen. Es soll nicht in die Zuständigkeit der Fachausschüsse hinsichtlich der konzeptionellen Fragestellungen eingegriffen werden, wir wollen also keinen Oberausschuss“, wie einmal befürchtet wurde. Es geht uns lediglich um die rein technisch/bauliche Abwicklung der Maßnahmen, wie dies in Städten und Gemeinden selbstverständlich ist.
Antrag 6
Die Verwaltung erarbeitet ein Konzept zur verbesserten Organisation der Steuerung von Bauprojekten und zur Bündelung der Zuständigkeiten für Baudurchführung in einem Technischen Ausschuss. Um die Ausgewogenheit der Ausschusskompetenzen zu gewährleisten, müssten entweder die Zuständigkeiten insgesamt überdacht oder für Großprojekte ein besonderer beschließender Ausschuss erwogen werden. Über die entsprechenden Strukturen in anderen Landkreisen erwarten wir einen Bericht.
Betriebsausschuss Krankenhäuser
Die Organisation unserer Krankenhäuser in Form von
Eigenbetrieben hat sich bestens bewährt. Seit Jahren kommen sie ohne Zuweisungen aus dem Kreisetat aus, ein Ziel von dem benachbarte Krankenhausträger erst für die Zukunft träumen. Das immer enger werdende Finanzkorsett zwingt uns erstmals zu Zuschüssen für Investitionen.
Auch das ist nicht selbstverschuldet, sondern hängt mit den teilweise willkürlich gekürzten Fördermitteln des Landes fürund einer Häufung von Großb Baumaßnahmen zusammen.
Der gute Gesamteindruck unserer Krankenhäuser ist in erster Linie ein Verdienst der Ärzte, des Pflegepersonals und der übrigen Dienstleistungsbereiche in den Häusern, aber nicht zuletzt auch der Verwaltungen. In Zeiten steigender Kosten, sinkender Einnahmen und von Personalmangel ist dies nur mit einem weit überdurchschnittlichen Einsatz zu bewältigen. Dafür sagen wir danke. Dies gilt im übrigen für alle Verwaltungsbereiche, die mehr leisten als ihre Pflicht.
Neben dem allgemeinen Finanzdesaster ist das Gesundheitswesen ein Gebiet, das das Ministerium in Berlin ebenso wenig in den Griff bekommt wie die Kassen, die Pharmaindustrie, die Apotheken, die Ärzte und die Krankenhäuser. Auch hier greift man zum bewährten Mittel des Verschiebebahnhofs – wenn man oben nicht mehr ein und aus weiß, verlagert man die Problemlösung auf die unteren
Ebenen. Ich will auf die vielen gescheiterten Experimente der letzten Jahre gar nicht mehr eingehen, sondern die Folgen des neuen Vergütungssystems, nämlich die Einführung der sog. DRGs, für unsere Krankenhäuser aufzeigen.
Die Fallpauschalen werden zu einem gnadenlosen Kostendruck, Verkürzung der Aufenthaltszeiten und damit Bettenabbau, zu Wartezeiten, einem spürbaren Qualitätsverlust in der Nachsorge und zu einer Verschärfung des Wettbewerbs zwischen den Kliniken führen. Nur das Haus wird nachhaltig seinen Bestand sichern, das trotz dieser Reform ein breit gefächertes Angebot auf hohem Leistungsniveau und eine optimale Aufenthaltsqualität anbieten kann. Dies ist nur zu gewährleisten, wenn im Betrieb alle Synergien genutzt werden können. Unser vorrangiges Prinzip der patientennahen Versorgung kann dabei nicht mehr uneingeschränkt durchgehalten werden, wobei in unserem dicht besiedelten Raum keine unzumutbaren Entfernungen beentstehen. Viel stärker schmerzt der drohende Verlust langjähriger vertrauter Strukturen. Notwendig wird ein System optimal organisierter zentraler Klinken, ergänzt durch spezialisierte Angebote in anderen Häusern, wie dies z.B. in Plochingen mit großem Erfolg praktiziert wird.
Der auf uns lastende Druck wird aktuell dadurch gesteigert, dass die Budgets für das kommende Jahr nur um 0,81 % steigen dürfen, während die tatsächliche Kostensteigerung
eher bei 4 % liegen dürfte. Da der Kreisetat nichts beitragen kann und die Situation im Gesundheitswesen sich weiter verschärfen wird, sind Strukturveränderungen unvermeidbar.
Ein solcher, zweifellos schmerzhafter, Prozess kann nicht an den Landkreiskrankenhäusern Halt machen, sondern muss alle Träger mit einbeziehen. Wenn wir nichts tun, sondern auf die Arbeit der in der Koalitionsvereinbarung angekündigten Kommission warten, marschieren wir in ein Millionendefizit hinein. Zudem erlauben die Baumaßnahmen auf dem Säer in Nürtingen keinen Aufschub.
Kultur- und Schulausschuss
Bei der Lösung der dringenden Raumfragen für die Berufsschulen und die Rohräckerschule kommen wir in die Zange zwischen Müssen und Können. In einem knappen Zeitraum bis 2006 sollen in einem mehrfach überprüften und schlüssigen Gesamtkonzept nahezu 30 Mio Euro verbaut werden. Zweifel, ob dies machbar und finanzierbar ist, seien erlaubt. Obwohl wir Freien Wähler die Neubaumaßnahmen nicht nur als sinnvoll, sondern auch als notwendig erachten, erwarten wir von der Verwaltung einen Vorschlag darüber, wie die Projekte sowohl von der Priorität geordnet als auch von der zeitlichen Abwicklung gestreckt werden können.
Antrag 7
1. Die Verwaltung erarbeitet einen Vorschlag zur Ordnung der einzelnen (Teil)Maßnahmen nach Prioritäten und zur möglichen Streckung der Investitionen.
2. Es ist zu prüfen, ob und inwieweit die Mittel für Gebäudeunterhaltung und eine Kürzung der Schulbudgets zur Finanzierung beitragen können.
Das Freilichtmuseum in Beuren hat, nicht zuletzt dank einer guten Museumsdidaktik, ein gutes Niveau erreicht – ablesbar an den ständig steigenden Besucherzahlen. Dennoch müssen angesichts der miserablen Haushaltssituation die Aufbauarbeiten unterbrochen werden.
Antrag 8
Die Aufbauarbeiten am Freilichtmuseum Beuren werden bis auf weiteres, zunächst befristet auf
3 Jahre, gestoppt.
Obwohl wir Kunst und Kultur als wichtige Landkreisaufgabe ansehen, kann unseres Erachtens der Etat für den Ankauf von Kunstgegenständen nicht gehalten werden.
Antrag 9
Der Etat zum Ankauf von Kunstgegenständen wird bis auf weiteres, zunächst befristet auf 3 Jahre, ausgesetzt.
Sozial- und Jugendhilfeausschuss
Die Haushaltsreden von Landrat und Kämmerer haben mehr als deutlich gemacht, dass der Landkreis sein umfassendes soziales Leistungsangebot künftig nicht mehr finanzieren kann. Deshalb muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis aller nicht gesetzlich verankerten Ausgaben auf den Prüfstand.
Antrag 10
Die Verwaltung erstellt eine Übersicht aller theoretisch disponiblen Projekte im sozialen Bereich. Dabei soll insbesondere das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen bewertet und die Folgen bei einer evtl. Reduzierung oder Streichung abgeschätzt werden.
Die Jugendhäuser der Städte und Gemeinden sind mittlerweile unverzichtbare Bestandteile des örtlichen Angebots und können daher stärker als bisher in die Eigenverantwortung der Gemeinden zurückgegeben werden. Um die fachliche Betreuung durch den Kreisjugendring zu gewährleisten, wird die künftig zu reduzierende Zuschussgewährung wie bisher an dessen Personalträgerschaft geknüpft.
Antrag 11
1. Der Personalkostenanteil des Landkreises an der offenen Arbeit der Jugendhäuser wird ab dem Jahre 2004 schrittweise auf 30 % reduziert.
2. Die Anzahl der geförderten Stellen wird entsprechend der Einwohnerzahl gestaffelt festgeschrieben. Besitzstände entfallen mit Freiwerden von Planstellen.
3. Im Rahmen der Fortschreibung des Jugendhilfeplans werden Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die Mobile Jugendarbeit ergriffen und über die Ergebnisse im Ausschuss berichtet. Inhalte der Untersuchung sind: Schwerpunkte und Qualität aufzuzeigen und die Förderpraxis zu bewerten.
Von der Hartz-Kommission wurden vor der Wahl Wunderdinge verkündet. Die Euphorie ist mittlerweile gedämpft. Das Papier wird umfassend diskutiert, obwohl es die meisten gar nicht gelesen haben. Unklar sind auch die Folgen des Grundsicherungsgesetzes.
Antrag 12
Die Verwaltung erstattet dem Sozialausschuss einen umfassenden Bericht über Inhalt und zu erwartende Auswirkungen des Grundsicherungsgesetzes und der Vorschläge der Hartz-Kommission. Ein dazu von unserer Fraktion erstelltes Arbeitspapier wird der Kreisverwaltung überlassen.
Zustimmen wollen und müssen wir dem Mehraufwand von 51 000 Euro für den personellen Ausbau der Interdisziplinären Förderstelle für Frühgeborene.
Verwaltungs- und Finanzausschuss
Das zentrale Thema der diesjährigen Etatberatungen ist die Höhe der Kreisumlage. Deren drohende Entwicklung ist bekannt. Trotzdem ist unsere Fraktion der Auffassung, dass wir vor der Realität die Augen verschließen und auf eine Anhebung verzichten müssen. Uns ist klar, dass wir damit nichts gewinnen, sondern im kommenden Jahr voll an die Wand fahren, wenn nicht eine Art Wunder geschieht.
Nachdem aber fast alle Städte und Gemeinden ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen können und sich auf den angekündigten Hebesatz eingestellt haben, können wir nicht so kurzfristig den Kurs ändern. Wir müssen den Gemeinden eine angemessene Reaktionszeit lassen, gleichzeitig aber darauf verweisen, dass die Ankündigungen für die kommenden Jahre kein Scheingefecht sind.
Alle Betroffenen, Gemeinden und ihre Bürger, haben aber ein Anrecht darauf, dass Verwaltung und Kreistag nicht nur resignieren, sondern zumindest den Versuch eines wirksamen Sparpakets machen. Die Verwaltung muss hier vorarbeiten, nur sie hat die Kenntnisse von disponiblen und festliegenden Ansätzen. Um für die kommenden Jahre wenigstens eine bescheidene Entspannung zu erreichen, muss der gesamte Haushalt Euro für Euro durchgecheckt werden.
Antrag 13
1. Die Verwaltung erstellt ohne Tabus eine Liste möglicher Einsparungen im Verwaltungshaushalt. Das anzustrebende Ziel ist eine Haushaltsverbesserung von 3 Mio Euro, also weniger als 1 Punkt Kreisumlage.
Einzelvorschläge unserer Fraktion ergebensich aus den gestellten Einzelanträgen und den folgenden Ziffern.
2. Weil die Finanzen eine Realisierung in den nächsten Jahren nicht erlauben, wird die Planung des Erweiterungsbaus für das Landratsamt gestoppt.
3. Die finanziellen und organisatorischen Auswirkungen einer Privatisierung von Hausdruckerei und Casino werden dargestellt.
4. Frei werdende Stellen unterliegen eine 6-monatigen Wiederbesetzungssperre. Der Wegfall ist sorgfältig zu prüfen. Ersatzlösungen über Werk- oder Dienstverträge bedürfen der Zustimmung des Fachausschusses.
5. Der Ansatz für die Anschaffung von beweglichem Vermögen im Bereich Verwaltung ist auf das Mindestmaß zu reduzieren.
Schlussbetrachtung
Wenn Kommunalpolitiker nicht mehr weiter wissen, beklagen sie die Beeinträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie. Die gegenwärtige Abhängigkeit von Fremdbestimmung und der Wegfall der Finanzgrundlagen geht aber tatsächlich an deren Substanz. Bund und Land müssen sich wieder der Tatsache bewusst werden, dass Wohlstand und soziale Sicherheit auf gesunden Gemeinden und Landkreisen basieren. Wenn diese ihrer Aufgabenstellung nicht mehr gerecht werden können, weil man ihnen immer mehr auflädt und gleichzeitig das Geld wegnimmt, ist der Zeitpunkt gekommen, wo man öffentliche Leistung und private Verantwortung neu abgrenzen muss. Ein zu perfekt ausgestalteter Sozialstaat legt sich selbst lahm und verkehrt seinen Anspruch ins Gegenteil. Unsere Bundesregierung und auch die Länder müssen erkennen, dass unser System staatlicher Fürsorge und Leistungen aus dem Lot ist. Von unserer Volkswirtschaft wird durch internationale Verpflichtungen und durch das innere Sozialgefüge mehr abverlangt, als sie zu leisten im Stande ist. Der Vertrag von Maastricht und seine Stabilitätskriterien sind kein Spielball. Auch das ist der Preis für die europäische Einigung – wir leben nicht mehr im Glashaus absoluter nationaler Unabhängigkeit.
Die Angleichung der Lebensverhältnisse wird nicht nur darin bestehen, dass die anderen Länder aufholen. Diese Wahrheit schlägt durch bis in die Kasse der kleinsten Gemeinde – leider bleibt es weitgehend bei der Erkenntnis. Was wir jetzt und dringend brauchen, ist eine Politik, die durchaus Werten verpflichtet ist, aber gleichzeitig das solide Fundament der praktischen Vernunft und der Finanzierbarkeit nicht verlässt.
Lassen Sie mich mit einer Lebensweisheit schließen, die gut zu unserer Lage passt:
Wer das Wünschenswerte, aber nicht Realisierbare anstrebt, macht selbst das unerreichbar, was möglich wäre.
Kompetenter Ansprechpartner:
Alfred Bachofer, OB, Nürtingen
Tel. 07022 75302
Fax 07022 75326
e-mail: ob.a.bachofer@nuertingen.de