Haushaltsrede für die Fraktion Freie Wähler zum Etat des Landkreises Esslingen 2007

Fraktionsvorsitzender Alfred Bachofer

Allgemeines

Wenn eine Volkswirtschaft das nicht mehr erarbeitet, was sie ausgeben will, dann muss sie entweder Leistungen einschränken oder den Marsch in die Verschuldung gehen. Letzteres ist seit Jahrzehnten der Ausweg, besser der Irrweg, denn wir laden immer mehr auf immer schmaler werdende Schultern. Die kommenden Generationen werden nicht nur zahlenmäßig schrumpfen, ihnen stehen auch bei reduzierten Chancen am Arbeitsmarkt kaum mehr tragbare Lasten für Gesundheitsvorsorge, Soziales, Alterssicherung, Energie u.v.a. mehr ins Haus. Wenn wir jetzt auch noch in unserer vergleichsweise günstigen Lage Schulden in diese schwieriger werdende Zukunft tragen, werden wir der Verantwortung für unsere Kinder in keiner Weise gerecht.

Immerhin ist es ein Lichtblick, dass in Berlin ein Teil der Steuermehreinnahmen in die Reduzierung der Neuverschuldung geht, von einem Abbau der rd. 970 Milliarden Schulden des Bundes sind wir aber meilenweit entfernt.

Zugegeben – die Politik hat es schwer, wenn sie nicht nur Verteilungsgerechtigkeit, sondern vor allem Wegnahmegerechtigkeit herstellen soll. Die Große Koalition ist da in einer ganz unangenehmen Lage, immerhin repräsentiert sie rd.
70 % der Wählerschaft, hat also viel zu verlieren. Wie man an den Umfragewerten sieht, gehen viele Wähler lieber zu Wunderheilern, die zwar auch nicht helfen könnten, ihre Fähigkeit oder besser Unfähigkeit aber nicht unter Beweis stellen müssen

Die erreichte Aufbruchstimmung und die anziehende Konjunktur drohten angesichts der Verunsicherung über den wirtschaftspolitischen Kurs der Bundesregierung wieder zu versanden. Der in dieser Höhe unerwartete Steuersegen von 40 Milliarden hat der Berliner Koalition Gestaltungsspielraum verschafft, den sie auf den Feldern Unternehmensbesteuerung und Entlastung der Arbeitnehmer auch genutzt hat. Hier Entscheidungsfähigkeit zu beweisen, war nach dem Gezerre bei der Gesundheitsreform auch dringend nötig. Insgesamt lassen diese Weichenstellungen trotz der Mehrwertsteueranhebung positive Auswirkungen auf Konjunktur und Arbeitsmarkt und damit auch auf die Haushalte der Kommunen erwarten.

Auch das Damoklesschwert einer Kürzung der Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten ist mit dem erzielten Kompromiss weggenommen. Die größten Risiken des vorliegenden Etatentwurfs sind damit vom Tisch. Allerdings tritt die den Gemeinden insgesamt zugesagte Entlastung von 2,5 Milliarden nach wie vor nicht ein. Man rechnet mit einer Verbesserung von ca. 1 Milliarde, wobei noch nicht geklärt ist, wie die Verteilung auf die Bundesländer erfolgt. Es ist also nicht allzu viel geworden aus der zugesagten Mitfinanzierung des Ausbaus der Kleinkinderbetreuung.

Ich sprach eingangs von Wegnahmegerechtigkeit und der Auswirkung auf das Wahlverhalten. Da ist bei unseren Politikern auf allen Ebenen die eigene Schmerzgrenze ganz schnell erreicht. Gibt es doch den viel bequemeren Weg des Verschiebebahnhofs. Darauf sind sie alle gekommen, gleich welchen Couleurs. Ich will nicht alles beklagen, was hier in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auf die Schultern der Landkreise und Gemeinden gelegt wurde – meine Redezeit würde nicht ausreichen.
Es ist jetzt an der Zeit, das Ruder herumzureißen und den Kommunen durch eine angemessene Finanzausstattung wieder den Handlungsspielraum zu geben, den sie im gesamtgesellschaftlichen Interesse brauchen, etwa beim weiteren Ausbau der Kinderbetreuung. Diese Botschaft richtet sich in gleicher Weise an das Land, das den Kommunen weiterhin 400 Mio. jährlich wegnimmt, um den Landeshaushalt zu sanieren. Damit können Gemeinden und Kreise nur leben, wenn beim Land tatsächlich das Ende des Schuldenzeitalters anbricht und man das Geld nicht für Wahlgeschenke verwendet.

 

Sozial- und Jugendhilfe

Wie bei allen Sozialhilfeträgern hängt dem Landkreis Esslingen dank des vom Bund organisierten Verschiebebahnhofs seit Jahren ein Mühlstein am Hals, der ihn finanziell unter Wasser zu ziehen droht: die Belastungen im Sozialhaushalt. Der Gesamtaufwand im Sozialen Leistungsbereich steigt noch ein Mal um 4,2% und soll nach dem Haushaltsplanentwurf bei 148,1 Mio. € liegen. Wie sehr diese Situation erdrosselnd wirkt, zeigt die Entwicklung der Gesamtausgaben, die mittlerweile bei rund 175 Mio. € liegen, das ist fast das Gesamtvolumen an Kreisumlage. Frustrierend ist die Tatsache, dass wir als Landkreis diese Entwicklung kaum beeinflussen können, da insbesondere der ausufernde Bereich der individuellen Leistungen gesetzlich normiert und damit außerhalb unserer Entscheidungskompetenz liegt.

Ich möchte diese Entwicklungen an einigen Beispielen aufzeigen:
Bei der Grundsicherung für Ältere und Erwerbsgeminderte steigt der Nettoaufwand zu Lasten des Landkreises um 2,8 Mio. € auf insgesamt 8 Mio. €. Bevor es in Vergessenheit gerät: die kommunale Seite sollte gegen dieses finanzielle Risiko über eine Revisionsklausel abgesichert werden, die auch von unseren Bundestagsabgeordneten vollmundig zugesichert wurden. Diese Revisionsklausel kommt seit zwei Jahren nicht zum Tragen, da keine Einigung über die einheitliche Datenbasis erzielt werden kann. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Auch die Grundsicherung für Erwerbslose – wie die Hartz-IV-Reformen mittlerweile genannt werden – belasten den Kreishaushalt mit weiteren Kostensteigerungen. Erneut muss bei uns der Nettoaufwand für die Leistungen nach SGB II erhöht werden, um 5 Mio. € auf knapp 35 Mio. €. Wie man sieht fließt immer mehr Geld in dieses System. Den Familien, die wirklich auf diese Leistungen angewiesen sind, reichen die Sätze dennoch kaum zum Leben. Ärgerlich und unsozial ist die missbräuchliche Inanspruchnahme. Dieses Geld fehlt dann solchen Arbeitslosen, die vielleicht jahrzehntelang gearbeitet, in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben und von unverschuldetem Arbeitsplatzverlust betroffen sind.

Bei einem Besuch bei der Arge Job-Center haben wir uns über die aktuellen Entwicklungen und die Probleme der Hilfesuchenden informiert. Wir haben gesehen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arge sehr gute Arbeit leisten. Wir sehen jedoch auch die finanziellen Grenzen unserer sozialen Sicherungssysteme. Bleibt zu hoffen, dass mit einer weiteren Belebung am Arbeitsmarkt der Abwärtstrend bei der Zahl der Bedarfsgemeinschaften anhält. Betrachtet man unsere relativ niedrige Arbeitslosenquote und die dennoch hohe Zahl von Bedarfsgemeinschaften, dann bekommt man eine Ahnung davon, welch bedrückende Situation in den Räumen herrscht, die mit einer Arbeitslosenquote von 15 % und mehr zu kämpfen haben.

Für eine nachhaltige Verbesserung sind allein die freien Arbeitsstellen entscheidend. Nur dann kann das Prinzip „fördern und fordern“ umgesetzt werden. Ohne mehr Arbeit wird dieses System scheitern, zu Lasten der Gesellschaft und des einzelnen Hilfesuchenden. Zu Recht prangert die Politik das Verhalten mancher Großkonzerne und ihrer Manager an. Ist man sich dort wirklich bewusst, wie viele Arbeitsplätze erhalten und damit Familien wirtschaftlich abgesichert werden könnten, wenn man sich mit etwas weniger Profit und anständigen Vorstandsgehältern begnügen würde? Ich verwende bewusst das Wort „Profit“, weil in manchen Vorstandsetagen Gewinnmaximierung um jeden Preis betrieben wird, auch um den Preis, dass das Attribut „sozial“ in der Kultur des Unternehmens keinen Platz mehr hat.

Genauso ist es mit der Steuermoral, indem man Gewinne in Steueroasen verlagert. Das Gemeinwesen darf dann im Gegenzug die sozialen Folgen der unternehmerischen Entscheidungen abfedern.

Unsere besondere Sorge gilt der Jugend. Ohne qualifizierte Ausbildung sinken die Zukunftschancen der Jugendlichen erheblich. Deshalb muss der Kreistag weitere Verbesserungen bei der Versorgung der Schulabgänger mit Ausbildungsplätzen unterstützen und initiieren. Ohne Berufsausbildung und ständige Weiterqualifizierung hat man in unserem High-Tech-Land nur eingeschränkte Zukunftschancen. Die bei uns vergleichsweise günstigen Daten sind nicht wirklich zufrieden stellend. Auch das Parken vieler Jugendlicher im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) ist keine echte Lösung, da oft keine weiteren schulischen Anforderungen gestellt werden. Wir verkennen nicht, dass schon zahlreiche Projekte und Angebote bestehen. Auch die Kreisarbeitsgemeinschaft „Schule und Jugendhilfe“ ist ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings fällt es zunehmend schwer, die ganze Vielfalt der Hilfen zu übersehen und zu bewerten.

 

Antrag 1 (Situation der Schulabgänger)
Wir beantragen eine gemeinsame Sitzung von Jugendhilfeausschuss und Kultur- und Schulausschuss mit externen Experten, die als Schwerpunktthema diesen gesamten Themenkomplex grundlegend und übersichtlich beleuchten soll.

Erschreckend sind auch die weiteren Ausgabensteigerungen bei der Jugendhilfe. Durch die Integrierte Berichterstattung wissen wir, dass mit Hilfe der ambulanten Angebote wenigstens erreicht wird, dass der Ausgabenanstieg unterdurchschnittlich ist. Wir sind hier auf dem richtigen Weg. Die Gesamtentwicklung mit weiteren Ausgabesteigerungen in den nächsten Jahren ist jedoch insgesamt besorgniserregend.

Die Aufwendungen für die Eingliederung von behinderten Menschen steigen weiter. Im Haushalt 2007 ist eine Ausgabenerhöhung um 1,2 Mio. € auf 47,2 Mio. € vorgesehen. Diese Aufwendungen werden von der kommunalen Seite finanziert, während vor allem der Bund, aber auch das Land, die Leistungen festlegen. Das Grundprinzip „Wer bestellt bezahlt“ sowie notwendige und vertretbare Einschnitte im Leistungsbereich mahnt der Kreistag seit Jahren ohne Erfolg an.

Dies entbindet uns jedoch nicht von der Verantwortung, unsere Hausaufgaben zu machen. Wir haben uns die Frage gestellt, wo wir mit unserem Sozialaufwand stehen.

 

Antrag 2 Vergleichsdaten Sozialaufwand
Wir beantragen einen Bericht, in dem die Verwaltung Vergleichszahlen mit den anderen Landkreises um Stuttgart darstellt.

Dabei geht es uns nicht um die Fallzahlen, sondern um die Kosten pro Leistungsfall. D.h., welche Leistungen erhält z.B. ein Leistungsempfänger aus der Grundsicherung für Ältere im Landkreis Esslingen und welche Leistungen erhalten vergleichbare Fälle in den Landkreisen Böblingen, Ludwigsburg und Rems-Murr. Diese Zahlen möchten wir für die Grundsicherung für Ältere und Erwerbsgeminderte, für die Hilfe zur Pflege, für die Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen, für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, für die Kinder- und Jugendhilfe sowie für den Kommunalanteil bei der Grundsicherung für Erwerbslose. Interessant wäre auch die Größenordnung der realisierten Ersatzansprüche gegenüber Unterhaltspflichtigen.

Der Ausbau der Kinderbetreuung ist in erster Linie eine Aufgabe der Städte und Gemeinden. Die Kommunen haben in diesem Bereich in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet. Eine umfassende Kinderbetreuung ist nicht nur ein Qualitätsstandard für die örtliche Infrastruktur und bedeutend für das Werben um junge Familien. Sie ist ein wesentlicher Beitrag um den dramatisch gesunkenen Geburtenzahlen entgegen zu wirken. Der Landkreis fördert diese Entwicklung als Träger der Jugendhilfe und durch die Zuschüsse an die vier Tageselternvereine. Zur Verbesserung des Stellenschlüssels für den weiteren Ausbau der Tagespflege steigt der Etatansatz um knapp 90.000 €. Diese Entwicklung begrüßen wir ausdrücklich.

Bei der Budgetierung des Kreisjugendrings waren wir FREIEN WÄHLER die treibende Kraft und stellen heute mit Befriedigung fest, dass diese Entscheidung nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen richtig war. Der KJR hat den Freiraum einer größeren Eigenverantwortung und zur sozialraumorientierten Jugendarbeit genutzt, um sich positiv weiterzuentwickeln. Die Höhe des Budgets konnte für weitere drei Jahre festgeschrieben werden. Dies schafft Planungssicherheit und im Jahr 2007 sogar eine Ausgabenreduzierung durch die Auflösung einer Rücklage.

 

Kultur- und Schulausschuss

Schwerpunkt der vergangenen Haushalte aber auch des Haushalts 2007 sind und waren Schulbaumaßnahmen in einer Größenordnung, wie sie der Landkreis Esslingen vorher nie erlebt hat und vermutlich, oder besser gesagt hoffentlich, auch in der Zukunft nicht mehr erleben wird. Rund 45 Mio. € sind insgesamt aufzuwenden, damit der Schulträger Landkreis Esslingen seiner Verantwortung Rechung tragen und ausreichenden und auch qualitativ gut ausgestatteten Schulraum zur Verfügung stellen kann.
Mit der Inbetriebnahme der Verbundschule in Dettingen im Jahre 2007 sind dann auch die Raumsorgen der Rohräckerschule beseitigt.

Erfreulich ist, dass trotz dieser hohen Investitionen der Gebäudeunterhaltung weiterhin hohe Priorität beigemessen wird. Ähnlich wie im Jahr 2006 werden auch im Jahr 2007 über
4 Mio. € in die Unterhaltung der Schulgebäude gesteckt. Da wir nie der Meinung waren, dass auf Kosten versäumter Gebäudeunterhaltungen für den Kreishaushalt gespart werden kann, haben wir bereits vor Jahren um eine Übersicht über die aktuellen Werte unserer schulischen Immobilien gebeten und dieser unsere Anträge zur Gebäudeunterhaltung gegenüber gestellt.

 

Antrag 3
Nachdem die großen Investitionen im Schulbereich mit Ablauf des Jahres 2007 im Wesentlichen zu Ende gehen, beantragen wir eine aktualisierte Übersicht über die wichtigsten mittelfristig notwendigen Unterhaltungsmaßnahmen im Schulbereich.

 

Situation der Schulabgänger

Ich will an dieser Stelle noch ein Mal auf die Situation der Schulabgänger eingehen. Wir Freien Wähler sehen es als diegroße Herausforderung in allen Bereichen unserer Gesellschaft an, im Rahmen der unterschiedlichsten Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass Jugendliche rechtzeitig in das Arbeitsleben integriert werden können. Auf den jungen Menschen werden angesichts der demographischen Entwicklung und der in Vergangenheit und Gegenwart aufgehäuften Verpflichtungen immer größere Lasten abgeladen. Das nimmt uns heute in die Pflicht.
Selbstverständlich wissen wir, dass bereits hoffnungsvolle und vielfältige Bemühungen unterschiedlichster Art existieren. Dies darf uns allerdings nicht davon abhalten, uns stets aufs Neue Gedanken darüber zu machen, wie diese Aufgabenstellung noch effektiver bewältigt werden kann. Überlegenswert wäre zum Beispiel die Unterstützung der Schulsozialarbeit durch ehrenamtliche Patenschaften. Wir haben eine Fülle von geeigneten und vitalen Frührentnern, von denen schon bisher viele bereit sind, sich ehrenamtlich in die Gesellschaft einzubringen. Unter fachkundiger Anleitung der Schulsozialarbeit könnte sich ein Personenkreis organisieren lassen, der Patenschaften für Schülerinnen und Schüler mit übernimmt um sie bei ihrem Gang in die Arbeitswelt zu begleiten und zu unterstützen.

Entscheidend ist letztlich die Bereitschaft der Wirtschaft zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen – auch über den eigenen Bedarf hinaus. Die gegenwärtige Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage nach Lehrstellen, die benachteiligten Jugendlichen kaum eine Chance lässt, ist ein Armutszeugnis für eine soziale Marktwirtschaft.
Ich verweise auf unseren Antrag zum Jugendhilfeausschuss. Zu dieser gemeinsamen Sitzung mit dem Kultur- und Schulausschuss sollten auch Vertreter der Berufsschulen, der Arge Job-Center, der Schulsozialarbeiter und evtl. des Kreisseniorenrats zugezogen werden.

 

Krankenhäuser
Die Diskussion um die Gesundheitsreform und deren Auswirkungen auf die Krankenhauslandschaft werden mittlerweile so stark von Zahlen über tatsächliche oder drohende Defizite beherrscht, dass fast in Vergessenheit gerät, dass es um Menschen geht, um Patienten, aber auch um unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wie müssen sich diese fühlen, wenn sie die täglichen Schlagzeilen über den Abbau von Leistungen und die Reduzierung von Personal lesen? Ein aktuelles Beispiel ist der Entzug der Röntgenerlaubnis für das Nürtinger Krankenhaus. Auch werden die Dinge auf dem Rücken der Patienten ausgetragen.

Um nicht missverstanden zu werden – die Veränderungen in der medizinischen Landschaft, etwa moderne Operationsmethoden und kürzere Verweildauern, verlangen Anpassungsprozesse. Die Frage ist allerdings, ob die Träger der Krankenhäuser dies weitgehend allein leisten können. Auf diese haben Gesetzgeber und Kassen einen Kostendruck verlagert, der nichts mehr mit notwendigen betriebswirtschaftlichen und medizinischen Veränderungen zu tun hat. Viele Träger suchen ihr Heil jetzt in der Flucht, in der Flucht in privatrechtliche Organisationsformen. Solche Anpassungen können notwendig sein, etwa um Entscheidungsabläufe zu beschleunigen oder Kooperationen mit anderen Träger zu ermöglichen. GmbH-Lösungen dürfen aber nicht zum Selbstzweck werden, etwa um die Transparenz aus den Entscheidungsprozessen zu nehmen oder die politisch und finanziell letztlich verantwortlichen Gremien weitgehend außen vor zu lassen.

Deshalb sagen wir Freien Wähler: Wir brauchen keine GmbH, damit Überlegungen zu trägerübergreifenden Lösungen angestellt und intensive Gespräche mit allen potenziellen Partnern geführt werden können. Eine solche Rechtsform kann und wird nach aller Voraussicht am Ende dieses Prozesses stehen und dann sind wir auch bereit, diesen Schritt mitzutragen. Klar ist auch, dass die notwendigen Verhandlungen nicht offen auf dem Markt der Möglichkeiten geführt werden können.

Wir brauchen die Einsicht und die Bereitschaft der in Frage kommenden Gesprächspartner, dass die gegenwärtigen Strukturen nicht gehalten werden können. Zu dieser Einsicht gehört aber auch und insbesondere die Erkenntnis, dass Veränderungen nicht nur vom Anderen verlangt werden können. Das gemeinsame Ziel muss sein, dass in unserem Raum, in dem im Gegensatz zu ländlichen Gebieten Entfernungen nur eine untergeordnete Rolle spielen, teure Doppelvorhaltungen vermieden und Synergieeffekte durch Kooperationen erschlossen werden.
Kosteneinsparungen, die ausschließlich dadurch erreicht werden, dass medizinisches oder Pflegepersonal über die Schmerzgrenze hinaus abgebaut oder durch nicht qualifizierte Hilfskräfte ersetzt wird, werden sich langfristig als Rohrkrepierer erweisen. Die immer wacher werdenden Patienten beobachten sehr genau den „Gesundheitsmarkt“ und werden die Krankenhäuser aufsuchen, die eine optimale Medizin und menschliche Betreuung gewährleisten. An Häusern ohne dieses Profil wird eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt: Weniger Qualität, zurückgehende Belegung, steigender Abmangel, weiterer Personalabbau usw. bis zur Schließung.

Der sichere Weg in die ausweglose Kostenfalle wäre die Absicht der möglichen Kooperationspartner, jetzt schnell noch hohe Investitionen zu tätigen um den Anderen gegenüber in einer scheinbar besseren Verhandlungsposition zu sein. Das könnte sich ganz schnell in Gegenteil verkehren, wenn man anschließend mit überhöhten Investitions- und Betriebskosten im Wettbewerb allein dasteht. Es kann nur einen vernünftigen Maßstab geben: Was brauchen unsere Patienten wirklich in dem gemeinsamen „Marktgebiet“ und wie können die Angebote der einzelnen Häuser sinnvoll verzahnt werden? Wenn wir erfolgreich sein wollen, dann darf es keinen Wettbewerb gegeneinander mehr geben, sondern wir müssen im Wettbewerb miteinander bestehen.

In diesem Geist müssen die Gespräche mit allen in Betracht kommenden Trägern geführt werden. Im Interesse einer objektiven Ausgangsposition und zur Suche nach wirklich zukunftsfähigen Lösungen empfiehlt sich eine Gesprächsmoderation durch einen neutralen, fachlich kompetenten Gutachter.

 

Antrag 4

  1. Die Verwaltung nimmt unverzüglich Verhandlungen über mögliche Kooperationen mit allen in Betracht kommenden Krankenhausträgern auf.
  2. Um eine objektive Gesprächsbasis zu schaffen beauftragen die Partner gemeinsam einen fachlich herausragenden Gutachter zur Moderation der Verhandlungen.

Vor dem Hintergrund dieser Verhandlungen dürfen jetzt keine überstürzten Investitionsentscheidungen getroffen werden. Selbstverständlich meinen wir damit nicht den täglichen Betrieb sicherstellende Maßnahmen. Das für unser Haus in Ruit diskutierte Investitionsvolumen von derzeit 27 Mio € ist aber eine Größenordnung, die nicht vor sondern im Zuge möglicher Kooperationen im gebotenen Umfang verwirklicht werden soll. Deshalb können die im Wirtschaftsplan eingestellten Mittel dafür gegenwärtig noch nicht freigegeben werden. Damit keine Zweifel aufkommen – was sich nach Neuausrichtung der Krankenhauslandschaft in Ruit und an anderen Häusern als notwendig erweist wird auch unsere Zustimmung erhalten. Solange aber die zu führenden Gespräche noch nicht in die Machbarkeitsphase gelangt sind, müssen die eingestellten Mittel bis zur Freigabe durch den Kreistag gesperrt bleiben.

 

Antrag 5
Die im Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Krankenhäuser für das Haus in Ruit eingestellten Mittel in Höhe von 27 € für eine grundlegende Strukturverbesserung werden bis zur Freigabe durch den Kreistag gesperrt.

Wir wollen damit aber auch ein Signal an die Stadt Esslingen verbinden. Die umfangreichsten Potenziale zur Zusammenarbeit liegen im Verhältnis der städtischen Kliniken zum Krankenhaus in Ruit. Stadt und Kreis haben gleichermaßen die Verantwortung für öffentliche Gelder. Deshalb darf es in den Verhandlungen keine Tabus geben. Gespräche auf Augenhöhe bedeuten aber auch, dass jeder Partner seine Interessen in das Ganze einbringen muss. Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft (natürlich unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Versorgungsauftrags) und wollen und werden daher in Ruit das verändern, was die Zukunftsfähigkeit des Hauses sichert.

Der Kreistag hat im Juli vergangenen Jahres beschlossen, den Krankenhäusern keine Investitionszuschüsse mehr zu gewähren, sondern entsprechend der im Einzelfall zu beschließenden Aufteilung der Investitionen Schuldendienstanteile zu
übernehmen. Daran halten wir fest, weil es deutlich macht, wo der Darlehensbedarf entsteht. Allerdings muss die Darlehensaufnahme durch den Eigenbetrieb nach dem beim Landkreis üblichen Konditionen erfolgen. Deshalb bedürfen die Darlehensbedingungen (Zins und Laufzeit) jeweils der Zustimmung des Betriebsausschusses.

 

Antrag 6

  1. Der Umfang der Förderung von Investitionsmaßnahmen an den Krankenhäusern durch den Kreishalt wird – wie bereits grundsätzlich beschlossen – im Einzelfall durch den Kreistag entschieden.
  2. Wie im Juli 2005 festgelegt, erfolgt die Förderung durch eine anteilige Übernahme des Schuldendienstes. Die Konditionen für die aufzunehmenden Darlehen bedürfen im Interesse der Einheitlichkeit der Zustimmung des Betriebsausschusses.

 

Verwaltungs- und Finanzausschuss

ÖPNV-Lasten
Die ÖPNV-Lasten der Landkreise in der Region haben im Vergleich zum übrigen Land eine um ca. 6 Punkte höhere Kreisumlage zur Folge. Es bleibt zu hoffen, dass der massive Vorstoß der Landräte beim Ministerpräsidenten endlich zu mehr Gerechtigkeit führt und dass der Verband Region Stuttgart sich besinnt und nicht Jahr für Jahr mehr draufpackt. Der prompt erfolgte Aufschrei der Landeshauptstadt ist der durchsichtige Versuch, sich eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen.

Ärgerlich für den Landkreis Esslingen ist die Tatsache, dass wir zwar die höchste Verkehrsumlage zahlen, aber den geringsten Versorgungsgrad bei der S-Bahn haben. Um ein Verkehrschaos auf den Fildern nach Inbetriebnahme der Messe zu verhindern, sollten eine Neuordnung der S-Bahnlinien und eine Verbesserung der Vertaktung geprüft werden. Eine Führung der S 1 von Plochingen bzw. Kirchheim zum Flughafen würde auch die Option einer Verlängerung in Richtung Neuhausen beinhalten. Nachdem das Projekt „Zweisystembahn“ gescheitert ist, sehen wir darin eher eine Lösung als in einer vom Kreis und den Gemeinden finanzierten Stadtbahn, die vielleicht am St. Nimmerleinstag kommt.

 

Antrag 7
Die Kreisverwaltung wird beauftragt, mit dem Verband Region Stuttgart Gespräche über eine Neuordnung der S-Bahn-Linien zu führen. Anzustreben ist eine verbesserte Bedienung von Messe und Flughafen und die Möglichkeit einer Weiterführung in Richtung Neuhausen.

Bemerkenswert ist, dass sich das Land bisher weigert, sich an den Mehrkosten einer verbesserten ÖPNV-Andienung von Messe und Flughafen zu beteiligen. Der VRS muss hier konsequent bleiben und die entsprechenden Leistungen erst bestellen, wenn das Land mitmacht.

Kreisumlage und Schuldenabbau
Auch wenn sich die Finanzsituation der Landkreise und der Gemeinden nach wie vor unbefriedigend darstellt, erkennen wir doch bei den Kommunen eine leichte Entspannung. Wie im letzten Jahr wollen wir die gemeinsame Verantwortung für die jeweiligen Haushalte betonen. Mit unserem von der Kreistagsmehrheit beschlossenen Antrag, die Kreisumlage auf 43,1 Punkte festzulegen, lagen wir richtig, das zeigen das Ergebnis 2005 mit einem Überschuss von 3,1 Mio € und der Finanzzwischenbericht 2006, der einen ausgeglichenen Etat voraussagt. Wir prognostizieren auch für 2006 einen Überschuss.

Trotzdem wollen wir nicht erneut vorschlagen, die Kreisumlage unter den von der Verwaltung beantragten Satz zu drücken. Selbst ein Belassen des gegenwärtigen Niveaus hätte man mit uns diskutieren können. Die Gründe liegen in einem Projekt, das wir „Schuldenabbau für einen zukunftsfähigen Kreishaushalt“ nennen möchten. Wir möchten damit grundsätzliche Überlegungen aufgreifen, die Sie, Herr Landrat Eininger, in Ihrer Haushaltsrede angestellt haben.

Solange viele Gemeinden ihre Haushalte nicht ausgleichen und aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht ein Mal ausreichend Kredite aufnehmen konnten, war es vertretbar und richtig, dass sich der Landkreis mit der Mindestkreisumlage begnügte und seine Investitionen durch Darlehen finanzierte. Nachdem sich die Situation bei den Gemeinden entspannt hat und Schuldaufnahmen meist nur noch für größere Investitionen benötigt werden, wäre ein weiterer Anstieg der Verschuldung beim Kreis finanzpolitisch falsch. Nachdem bei den Gemeinden die Talsohle durchschritten scheint, dient das dem schon in der Vergangenheit immer wieder eingeforderten Interessenausgleich.

In unseren Fraktionsberatungen sind wir zu dem Ergebnis gekommen, von dem in den kommenden Jahren hoffentlich größer werdenden Steuerkuchen auch dem Kreis zur Schuldenreduzierung einen gerechten Anteil zu überlassen. Dies soll 2007 auf der Basis des Verwaltungsantrags von 42,9 Punkten, von dem wir annehmen, dass er genügend Reserven für eine bescheidene Investitionsrate enthält, geschehen.

Der Haushalt 2008 mit der deutlich gestiegenen kommunalen Steuerkraft wird uns zusätzlichen Spielraum zur Entschuldung schaffen. Wir müssen allerdings hoffen, dass nicht gleichzeitig bei den Gemeinden die Steuereinnahmen wieder weg brechen.

Nicht folgen wollen wir dem Verwaltungsvorschlag, den Überschuss 2005 mit 3,1 Mio € einer Rücklage zuzuführen. Das Geld soll sofort zur Reduzierung der Verschuldung eingesetzt werden – entweder zu einer Sondertilgung höher verzinslicher Darlehen (soweit möglich) oder zur Reduzierung der Kreditaufnahmen 2006 oder 2007. Entsprechendes gilt für einen zu erwartenden Überschuss 2006. Es macht keinen Sinn, Rücklagen niederverzinslich anzulegen und gleichzeitig neue Schulden zu höheren Zinsen aufzunehmen.

 

Antrag 8
Der Überschuss des Jahres 2005 und eine zu erwartende Ergebnisverbesserung 2006 werden zur vorzeitigen Schuldentilgung bzw. zur Reduzierung der veranschlagten Darlehensaufnahmen eingesetzt.

 

Sonstiges

Vor Jahren wurde unter der Bezeichnung „Sonnentage“ in Zusammenarbeit mit dem Handwerk und den Schulen ein Projekt durchgeführt, das auf große Resonanz stieß. Die Nutzung regenerativer Energien und der Einsatz moderner Technologien zur Reduzierung des Energieverbrauchs und des Schadstoffausstoßes sind mit Blick auf die Klimaveränderungen mehr denn je geboten. Eine solche Kooperation mit den einschlägigen Handwerksinnungen ist nicht nur eine Frage der Umwelt, sondern auch der Wirtschaftsförderung.

 

Antrag 9

  1. Die Verwaltung organisiert nach dem Vorbild der „Sonnentage“ an den Schulen der Kreisgemeinden eine Veranstaltungsreihe mit den Themen „Regenerative Energien und Einsatz moderner Technologien zur Energieeinsparung und Reduzierung des Schadstoffausstoßes“.
  2. Die Durchführung erfolgt mit Unterstützung der Wirtschaftsförderung und in Kooperation mit den einschlägigen Handwerksinnungen.

Nachdem sich der Verband Region Stuttgart ausnahmsweise nicht für zuständig erklärt hat, als die durchgängige Beschilderung landkreisübergreifender Radwegrouten beantragt wurde, regen wir an, dass die Kreisverwaltung in Absprache mit den Nachbarkreisen eine solche Beschilderungsaktion der berührten Gemeinden koordiniert.

 

Antrag 10
Die Verwaltung koordiniert mit den berührten Gemeinden eine einheitliche Beschilderung landkreisübergreifender Radwegrouten.

 

Abschluss
Zum Schluss einige Gedanken zum Neubau eines Verwaltungsgebäudes für den Landkreis. Natürlich geht es dabei in erster Linie darum, die Verwaltung in ihrer neuen Dimension optimal zu organisieren. Ich sehe darin aber auch noch eine weitere Bedeutung. Die Stärkung der Landkreise durch die Zusammenführung mit verschiedenen Sonderbehörden ist hoffentlich das Ende der unseligen Dauerdebatte über den Verwaltungsaufbau im Land. Anstatt ständig über Hierarchien und Zuständigkeiten zu reden, kann jetzt entschlossen daran gegangen werden, die Notwendigkeit und den Umfang öffentlicher Aufgaben auf der Ebene der Kreise auf den Prüfstand zu stellen. Muss wirklich alles sein, was die öffentliche Hand in den vergangenen Jahrzehnten im Verhältnis zur Wirtschaft an sich gezogen hat?

Wenn Sie, Herr Landrat Eininger, das Landratsamt als das „Rathaus des Landkreises“ bezeichnen, dann muss die dazugehörende Bürgernähe und Effizienz auch verwirklicht werden. Sonst besteht die Gefahr, dass mehrere kleine zu einer großen bürgerfernen Behörde vereinigt werden. Die kommunale Verfasstheit des Landkreises bietet die große Chance zu einem neuen Behördendenken – einem Denken das auf die Menschen und die Wirtschaft zugeht, einem Denken, das dem Gestalten mehr Raum gibt als unnötiger Bürokratie.

Und noch ein Signal kann von diesem Neubau ausgehen. Er darf ruhig Selbstbewusstsein und Stolz vermitteln mit Blick auf den umfassenden Verantwortungsbereich und die Leistungsbereitschaft der Landkreisebene. Dieser Kreis muss nicht wie andere Ebenen ständig die Backen aufblasen und neue Aufgabenfelder suchen, um sich zu bestätigen. Er lebt neben dem staatlichen Part mit dem Recht – aber auch der Pflicht – zur kommunalen Selbstverwaltung als einem Weg zu einem sozial ausgewogenen Miteinander.

Wir müssen uns daran messen lassen, wie wir mit diesem hohen Anspruch zu Recht kommen. Der Landrat mit seiner Verwaltung, aber im Besonderen wir Kreisräte mit der uns vom Wähler übertragenen demokratischen Legitimation. Dabei dürfen wir keine mundgerechte, sondern müssen eine an den objektiven Bürgerinteressen ausgerichtete Politik machen. Denn der Bürger ist zwar der Nutznießer unseres Tuns, aber in der Gesamtheit auch mithaftender Gesellschafter unseres Gemeinwesens.

 

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