Krankenhauskooperation im Landkreis Esslingen
Stellungnahme in der Kreistagssitzung am 29. März 2007
Wer in der Krankenhauslandschaft nicht zu Veränderungen bereit ist, kann das Bestehende nicht erhalten. Heute eine Binsenweisheit. Vor einigen Jahren, als wir die Strukturentscheidungen für die Kreiskliniken, insbesondere Plochingen und Kirchheim/Nürtingen, getroffen haben, waren wir der Zeit voraus und es waren mutige, von heftigen Emotionen begleitete Schritte.
Heute haben wohl die meisten von denen, die damals aus verständlichen Gründen auf die Barrikaden gegangen sind, erkannt, dass der Kreis rechtzeitig und richtig gehandelt hat. Unsere Maßstäbe waren und sind eine wohnortnahe Versorgung und eine optimale Medizin zu tragbaren wirtschaftlichen Konditionen.
Wieder stehen wir vor solchen Weichenstellungen, weil das Tempo der Veränderungen in medizinischer und finanzieller Hinsicht uns zu überholen droht. Immer stärker rücken die wirtschaftlichen Zwänge in den Vordergrund. Was ist denn am Primat der reinen Wirtschaftlichkeit auszusetzen? Dafür gibt es genügend Beispiele:
- Die Postreform mit der Folge, dass Postfilialen geschlossen wurden, Briefkästen verschwinden, Leistungen eingeschränkt und die Portokosten gestiegen sind
- Der freie Markt in der Stromversorgung statt sinkender Preise höhere Kosten bei reduzierter Versorgungssicherheit
- Bahnprivatisierung Wegfall zahlloser Arbeitsplätze und Verlagerung von riesigen Verlusten auf Land und Kommunen
- Die Gesundheitsreform mit ihren negativen Auswirkungen auf Patienten und Leistungserbringer
Der letztlich Leidtragende ist der Kunde bzw. Nutzer, auf den hohe Kosten bzw. Leistungsminderungen verlagert wurden. Volkswirtschaftlich wurde so gut wie nichts gewonnen.
Wir können uns den Wirtschaftlichkeitsanforderungen an unsere Krankenhäuser keineswegs entziehen, dies aber vor dem Hintergrund einer patientennahen Versorgungsstruktur durch ein vernünftig abgestimmtes Leistungsbild bei einer hohen medizinischen Qualität. Wenn wir die Wirtschaftlichkeit allerdings zur alleinigen Richtschnur machen, dann folgen wir den vorhin geschilderten Beispielen und könnten unsere Krankenhäuser eigentlich gleich verkaufen. Was dann trotzdem bliebe wäre der gesetzlich normierte und kommunal unverzichtbare Versorgungsauftrag, letztlich wären wir nur noch Ausfallbürgen ohne nennenswerten Einfluss auf das Geschehen.
Dem Kostendruck begegnen
Gesetzgeber und Krankenkassen sehen einen Weg zu ihrer Entlastung in der Verlagerung der Risiken auf die Krankenhausträger. Volkswirtschaftlich macht dies nur dann Sinn, wenn tatsächlich auf dieser Ebene Einsparpotenziale gehoben werden können, ohne dass der beschriebene Versorgungsauftrag erheblich leidet. Eine Grenze sehen wir auch dort, wo der Verschiebebahnhof unverantwortlich zu Lasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit letztlich der Patienten geht. Medizinische Versorgung und Pflege sind keine Fließbandleistungen, die allen Rationalisierungsschritten offen stehen.
Die Zusammenfassung unserer vier Klinken zu einem Eigenbetrieb mit der Option, ihn zu einer gGmbH weiter entwickeln zu können, war ein wichtiger Schritt. Die guten Ergebnisse des Wirtschaftsjahres 2006 zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mit mehr als 500 000 Einwohnern hat der Landkreis Esslingen ein Versorgungsgebiet, das die Klinikstandorte im Landkreis notwendig und auch tragfähig macht. Es ist nun unsere und die Aufgabe der möglichen Kooperationspartner, die Angebote aufeinander abzustimmen, Überschneidungen abzubauen und Spezialisierungen zu erreichen, die die Marktposition weiter verbessern.
Wir Freien Wähler betonen das Wort Kooperationspartner um deutlich zu machen, dass nur partnerschaftliche Lösungen, bei denen keiner den anderen majorisiert oder gar übervorteilt, ein auf Dauer tragbarer Weg sind. Das Eckpunktepapier des Landkreistags zur kommunalen Krankenhausstruktur sagt dazu: Einzelinteressen müssen zurückstehen. Klinikverbünde, in denen ein Träger für sich eine dominierende Stellung beansprucht, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine Zusammenarbeit mit dem Klinikum Esslingen ist für uns die nahe liegende, aber keineswegs einzige Option. Was beide Partner dazu verpflichtet, ist die Lage in einem Landkreis, in einem Versorgungsgebiet, und auch die gemeinsame Verantwortung für unsere Haushalte, die heute und in der Zukunft nicht in der Lage sein werden, Betriebszuschüsse zu leisten.
Soweit das Krankenhaus Ruit und das Städt. Klinikum Zentralversorgungsleistungen anbieten, muss es unser gleichgerichtetes Ziel sein, dass wir mit allen Häusern der Grund- und Regelversorgung im Versorgungsgebiet umfassende Leistungen und beste Qualität bieten können. Patienten, die schon auf dieser Ebene andere Häuser aufsuchen, gehen auch für die Zentral- und Maximalversorgung verloren. Die periphere Lage von Ruit und Esslingen und der Wettbewerb mit Stuttgart, Göppingen und Tübingen erlauben es eben nicht, dass wir die Patientennähe in den Hintergrund stellen.
Mit den Investitionen in unsere Krankenhäuser geben wir diesem Willen Ausdruck. Der morgen offiziell beginnende Neubau der Klinik auf dem Säer in Nürtingen, die bereits getätigten und bevorstehenden Maßnahmen in Plochingen, Kirchheim und in Ruit. Alles in allem reden wir da über mehr als 150 Mio . Diese Summe relativiert sich, wenn man z.B. sieht, dass der deutlich kleinere Rems-Murr-Kreis in ein neues Krankenhaus, das erheblich weniger Kapazität hat als unsere Häuser, 240 Mio investieren muss.
Akzeptanz ist entscheidend
Ganz entscheidend ist, dass wir Strukturen finden, die nicht nur Akzeptanz in der Bürgerschaft, sondern vor allem auch bei den niedergelassenen Ärzten finden. Von ihrer Beratungs- und Überweisungspraxis hängt viel ab. Je mehr wir vor Ort abbauen oder gar die Qualität vernachlässigen, je weniger fühlt sich die Ärzteschaft ihrem Haus verpflichtet.
Grundlegend falsch wäre es, jetzt vor den angesprochenen Weiterentwicklungen unserer Kliniken, etwa in Ruit, zurückzuweichen, weil uns die Höhe der Investitionen erschreckt. Häuser, die nicht mit einer optimalen Ablauforganisation, einem hohen Gesamtniveau und einem medizinischen Versorgungszentrum mit niedergelassenen Ärzten zur Erbringung ambulanter Leistungen aufgestellt sind, werden im Wettbewerb zurückfallen. Sparen kann dann zur Kostenfalle und zur Gefährdung eines Standorts werden. Deswegen können wir keinesfalls die notwendigen Entscheidungen für Ruit, die wir im Sinne einer Good-Will-Aktion zurückgestellt haben, obwohl sie keinen Einflussauf mögliche Verbundlösungen haben, länger als bis zur Sommerpause aufschieben.
Heutiger Beschluss ist ein Gesprächsangebot
Der heutige Beschluss mit seinen sechs Punkten, der von unserer Fraktion entschieden getragen wird, ist kein Diktat, nicht ein Vertragsentwurf, sondern ein Gesprächsangebot, eine Diskussionsgrundlage. Er baut aber nach unserer Überzeugung darauf auf, dass wir unseren Versorgungsauftrag im Kreisgebiet erfüllen und die betriebswirtschaftlich notwendigen Anpassungen in unseren Häusern so vornehmen müssen, dass die Standorte dadurch gestärkt und gesichert werden. Einen Ausverkauf der Kreiskliniken wird es mit uns nicht geben.
Mit diesem Verhandlungsauftrag wollen wir Sie, Herr Landrat Eininger, zusammen mit Herrn Winkler und seinem Team, ausstatten. Eine wesentliche Hilfe wird das gemeinsam mit dem jeweiligen Partner in Auftrag zu gebende Gutachten sein. Die Erarbeitung in Stufen ist wichtig, damit die Zwischenschritte den Gremien die Möglichkeit geben, auf neue Erkenntnisse zu reagieren. Wir sind offen für alle Formen der Kooperation und auch für die im Versorgungs- und Wettbewerbsgebiet liegenden öffentlichen Träger. Entscheidend ist aber der Geist, mit dem ein solches Ziel gemeinsam angesteuert wird. Es erfordert gegenseitiges Vertrauen, Fairness und auch die Zurücknahme eigener Egoismen.
Wie sagte doch der österreichische Komponist Gerhard Bronner: Fairness ist die Kunst, sich in den Haaren zu liegen, ohne die Frisur zu zerstören.
Wenn ich mir die gepflegten Haarschöpfe der Herren Landrat Eininger, OB Dr. Zieger, Geschäftsführer Winkler und seiner Kollegin Dr. Lindner vorstelle, dürfte das zu einer hohen Kunst werden.
Ansprechpartner:
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