Sitzung des Esslinger Kreistages am 13. Dezember 2007

TOP 1: Planungen zur Flughafenerweiterung – Stellungnahme des Kreistages

Redebeitrag des Sprechers der Fraktion Freie Wähler, Bürgermeister Dieter Lentz

In den frühen Morgenstunden am Freitag, dem 21. Dezember, entschied, nach intensiven Beratungen, in einer Sondersitzung, der Baden-Württembergische Ministerrat, unter Vorsitz des Ministerpräsidenten, dass

  1. der Flughafen Stuttgart ein Mittelstreckenflughafen mit einer Reichweite bis zu 3.000 km bleibt und nicht zum Interkonti­nentalflughafen ausgebaut wird. Damit sind frühere Pläne, die Startbahn für den Interkontinentalverkehr auszubauen und eine zweite Start- und Landebahn anzulegen, endgültig vom Tisch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese klare Aussage ist nachzulesen in der Pressemitteilung Nr. 693 aus dem Jahre 1979 (pdf download hier!). Und, diese Festlegung ist nicht auf Grund von volkswirt­schaftlichen Gutachten getroffen worden, sondern auf der Grundlage einer wohl ausgewogenen verkehrspolitischen Grundsatzdiskussion.

Betroffen machen muss, dass, trotz dieser eindeutigen und nicht interpretationsfähigen Bindung der Landesregierung, die Geschäftsführung des Flughafens Hunderttausende von Euro ausgibt, um, gegen die Interessen des Eigentümers, den Flughafen verkehrspolitisch neu auszurichten. Man stelle sich dies Mal in der Industrie vor, was geschehen würde, wenn der Vorstand von Siemens oder Daimler das Unternehmen neu ausrichten möchte, gegen den dokumentierten Willen der Eigentümer.

Betroffen machen muss es die Bürger von Baden-Württemberg von Waldshut bis Tauberbischofsheim, von Baden-Baden bis Heidenheim, wenn eine klare Beschlusslage der Landes­re­gie­rung keinen Bestand mehr haben sollen und die Abgeordneten des Landes mehrheitlich nicht willens sind, dies einzufordern. Meine Damen und Herren dies kommt einer Bankrotterklärung gleich

Betroffen machen muss es auch, dass verkehrspolitische Grundsatzdiskussionen, die das Land Baden-Württemberg und angrenzende Regionen unmittelbar betreffen, von einem Unternehmen geführt werden und nicht in dem vom Volk gewählten Gremium. Man stelle sich vor, der Bundesverkehrs­wegeplan wird nicht vom Bundestag und dem zuständigen Fachministerium erarbeitet, sondern von den jeweiligen Mautfirmen, die Autobahn­strecken­abschnitte in der Bundes­republik betreiben. Die Problematik des Flughafen­ausbaus zu einem lokalen Problem der Filder degradieren zu wollen ist schlichtweg ein Schlag ins Gesicht sämtlicher Bürger Baden-Württembergs. Nicht minder halsbrecherisch sind die Argumen­tationen der Flughafen­gesellschaft für eine zweite Start- und Landebahn.

Betroffen machen muss es, wenn annähernd, mit allen ergänzten Ausbauten der Infrastruktur, eine Milliarde Euro investiert werden sollen, dabei ca. 190 ha Land verbraucht werden sollen, um dabei keinerlei Kapazitätserhöhungen in der morgendlichen Spitzenstunde des Flughafens zu bekommen. Man stelle sich vor, der Bund würde eine neue Umgehungs­straße planen, ohne dass in Spitzenzeiten eine verkehrliche Verbesserung zu erwarten ist.

 

 

Betroffen machen muss es, dass, je nach Ausbaustand, zwischen 20.000 und 200.000 Menschen neuen Lärmbelastungen ausgesetzt sein werden.

Betroffen machen muss es, dass, um Freizeitverkehre, die bei allen verkehrswissenschaftlichen Betrachtungen eine geringere Qualitätsstufe erhalten, aus der morgendlichen Spitzenzeit herausgelöst werden sollen, für Hunderttausende von Menschen in der Region die Nachtruhe um eine Stunde verkürzt wird, nur um die Wirtschaftlichkeit des Flughafens zu erhöhen und den Kaufkraftabfluss in die ausländischen Touristenziele zu erhöhen.

Betroffen machen muss es, wenn man feststellen muss, dass die Geschäftspolitik des Flughafens mit diversen Anreizen, wie Verzicht auf Passagiergebühren ab einer gewissen Auslastung, verbilligten Start- und Landegebühren und Ähnlichem dazu führt, dass morgens innerhalb von zwei Stunden sechs Flüge nach Berlin stattfinden, also alle 20 Minuten, während die
S-Bahn die Innenstadt von Stuttgart lediglich im 30-Minuten-Takt erschließt. Ähnliches gilt für Verbindungen nach Hamburg, London, Wien oder Paris. Hier ist es dringend an der Zeit, die Sinnhaftigkeit solcher Strukturen zu hinterfragen und klare verkehrspolitische Steuerungsmaßnahmen vorzugeben.

Betroffen machen muss es, dass dem Wirtschaftsstandort im Süden Stuttgarts, welcher in den letzten Jahren deutlich aufgewertet wurde und weiter aufgewertet wird, man denke dabei nur die neue Messe, die Verlängerung der Stadtbahn zum Fasanenhof oder an den ICE-Bahnhof auf den Fildern, und weiter zur Messe, bis zu 190 ha zusätzlich abverlangt werden sollen und damit die Standortqualität derart sinkt, dass weder qualifizierte Arbeitskräfte adäquaten Wohnraum finden werden noch neue Betriebe geeignete Standorte. Vor diesem Hintergrund bleibt wird klar, dass dieser Wirtschaftsstandort nachhaltig abgewertet wird.

Es gäbe noch viel über die Betroffenheit auszuführen, die die Planungen des Flughafens und die Diskussionen der letzten Wochen ergeben haben, aber allein die in aller Kürze aufge­zählten Fakten sind Grund genug, ohne weitere Gutachten im Landtages von Baden-Württemberg, sofort zu entscheiden ob von dem Beschluss des Ministerrates von 1979 abgewichen werden soll oder nicht.

Die Fraktion der Freien Wähler ist froh, dass sich die Landkreis­verwaltung, mit dem Landrat an der Spitze, klar gegen eine zweite Start- und Landebahn und eine Verkürzung des Nacht­flugverbotes ausgesprochen hat. Wir werden den Beschluss­antrag einstimmig unterstützen und hoffen, dass dies auch für alle Kolleginnen und Kollegen gilt.

 

Ansprechpartner:

Dieter Lentz
Bürgermeister Filderstadt
Fon 0711/7003 636
Mail dlentz@filderstadt.de

Termine