Kein Rechtsmittel gegen die Untersagung der Klinikfusion

Die vom  Kreistag und dem Gemeinderat der Stadt Esslingen gewünschte Fusion der Kreiskliniken mit dem Städt. Klinikum Esslingen kommt nicht zustande. Trotz überzeugender medizinischer und wirtschaftlicher Gründe hat das Bundeskartellamt aus nicht nachvollziehbaren Gründen den Zusammenschluss untersagt. Die Kartellbehörde hat sich dabei auf ausschließlich wettbewerbsrechtliche Argumente gestützt.  Die sowohl von der Landespolitik als auch von den Krankenkassen geforderte Zusammenarbeit wird dadurch unmöglich gemacht. Für Kliniken in öffentlicher Trägerschaft ist das Kartellrecht wenig geeignet, es hilft den Patienten nicht – im Gegenteil.

Die mit der Begutachtung der Untersagungsverfügung beauftragten Anwaltskanzleien kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass eine Rechtsmittel nur eine minimale Erfolgschance hat. Mit großer Mehrheit entschied sich daher der Kreistag nach einer konstruktiven Debatte in seiner Sitzung am 22. Mai gegen eine Anfechtungsbeschwerde.

Fraktionsvorsitzender Alfred Bachofer nahm in seinem Redebeitrag wie folgt Stellung:

Der angestrebte Zusammenschluss der Kreiskliniken und des Städt. Klinikums zu einem neuen, medizinisch und wirtschaftlich starken neuen Unternehmen, ist im Interesse der Patienten und der Haushalte beider Träger richtig und notwendig. An dieser Auffassung hat sich in unserer Fraktion überhaupt nichts geändert. Wenn wir heute nun sagen müssen, dass man dieses als richtig eingestufte Ziel nicht weiterverfolgen kann, dann ist dies keine Kehrtwende, sondern die bittere Erkenntnis, dass wir die Entscheidung des Kartellamts nicht kippen können.

Wir halten die gesetzlichen und politischen Hintergründe, die höchstrichterliche Rechtsprechung und die daraus resultierende Haltung des Kartellamts für völlig unverständlich. Es kommt aber leider nicht darauf an, was wir für nachvollziehbar oder falsch halten. Entscheidend ist allein die Frage, ob die Untersagungsverfügung rechtswidrig ist. Dazu liegen uns zwei Bewertungen der gemeinsam mit dem Städt. Klinikum beauftragten, hoch angesehenen, Anwaltskanzleien auf dem Tisch. Beide kommen zu einem fast identischen Ergebnis – die Erfolgsaussichten einer Anfechtungsbeschwerde sind formell und materiell minimal. Lassen Sie mich, nachdem wir die Gutachten der Anwälte gelesen haben,  die Einschätzung unserer Fraktion hinzufügen – sie sind gleich Null.

Es kann nicht Aufgabe dieses Gremiums sein, eigene juristische Überlegungen zur Untersagungsverfügung oder zu den Anwaltsgutachten anzustellen. Jeder von uns kann dazu seine eigene Meinung haben. Als Gesamtgremium müssen wir uns aber zum Schutz vor dem Vorwurf der Pflichtverletzung auf die Aussagen der Anwälte stützen.

Nun kann man natürlich mit dem Kopf gegen die Wand rennen und quasi als Bekenntnis zum bisherigen Ziel einen aussichtslosen Instanzenweg beschreiten. Wir Freien Wähler wollen diesen Schritt wegen der damit verbundenen schwerwiegenden Nachteile nicht gehen. Zu allerletzt bringen uns die Gerichts- und Anwaltskosten, die auf immerhin eine halbe Million Euro zu veranschlagen sind, zu dieser Auffassung. Man darf aber nicht nur um des Prinzips willen eine derartige Summe „zum Fenster hinaus werfen“.

Ganz entscheidend für unsere Fraktion sind die Wirkungen auf beide Klinikunternehmen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die große Zahl der Patienten. Nach unserer Überzeugung wären die Folgen schwerwiegend, wenn nicht verheerend.

Seit Jahren stürzen mehrere Organisationsgutachten, deren teilweiser Vollzug, die Schließung des Hauses Plochingen, die Beauftragung einer externen Geschäftsführung und die seit Monaten laufenden Verhandlungen über eine Fusion die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von einer Unsicherheit in die nächste. Die Folgen haben wir erlebt – Leistungsträger auf allen Ebenen haben das Haus verlassen bzw. kündigen einen solchen Schritt an. Nicht zu wissen, wie es mit dem eigenen Arbeitsplatz weitergeht, stellt eine große psychische Belastung dar. Mit größten Anstrengungen ist es gelungen, diese Lücken wieder zu schließen. Heute haben wir an allen Häusern eine weithin anerkannte hohe medizinische Qualität und ein sehr gutes Pflegeteam. Die Patientenzahlen sind deutlich angestiegen, über das wirtschaftliche Ergebnis haben wir vorhin gesprochen.

Wollen wir das aufs Spiel setzen, obwohl ein mehrjähriges Gerichtsverfahren so gut wie keine Aussicht auf Erfolg bietet? Was wäre die Folge für die Kliniken, das Esslinger Haus ausdrücklich mit eingeschlossen? Ab sofort stünde über allem die Frage: Wohin führt der Weg in die Zukunft? Beide Häuser müssen mit der hohen Wahrscheinlichkeit leben, dass es zu keinem Zusammenschluss kommt. Dennoch verbinden alle Beteiligten mit dem Rechtsmittel die theoretische Möglichkeit, dass wir in ca. zwei Jahren am Nullpunkt wieder mit den Verhandlungen beginnen. Die Notwendigkeit, ohne Verletzung des Wettbewerbsrechts, partnerschaftlich miteinander umzugehen, schränkt die unternehmerische Freiheit ganz entscheidend ein. Jede Maßnahme zu Steigerung der Wirtschaftlichkeit würde von der anderen Seite als Rückfall in alte Zeiten wahrgenommen.

Aus unserer Fraktion kommt die klare Botschaft, wir können und wollen nach der Entscheidung des Kartellamts den medizinischen Wettbewerb zwischen den Kliniken nicht ausschalten. Ein „Wettrüsten“ um jeden Preis, wie es manchmal bezeichnet wurde, darf aber keinesfalls ausgelöst werden.

Die unternehmerische Freiheit würde durch den Klageweg, – wenn auch nicht gewollt – deutlich eingeschränkt. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ginge der Schwebezustand weiter. Beide Mitarbeitervertretungen haben in aller Deutlichkeit aufgezeigt, welch fatale Wirkungen dies haben würde. Es ist uns durch eine hohe medizinische Qualität gelungen, eine überdurchschnittliche Patientenbildung zu erreichen. Groteskerweise ist uns dies wettbewerbsrechtlich zum Verhängnis geworden. Sehr ernst zu nehmen ist aber die Gefahr, dass wir durch die beschriebenen Unsicherheitsfaktoren namhafte medizinische Führungspersönlichkeiten, aber darüber hinaus weitere Ärzte und Pflegepersonal verlieren. Der überaus angespannte Arbeitsmarkt macht solche Wechsel relativ leicht.

Verunsicherung tritt auch bei unseren Kunden, den Patienten, ein. Planbare Eingriffe vereinbart man nur mit Kliniken, denen man uneingeschränkt vertraut. Personalfluktuation bewirkt das Gegenteil. Besonders die niedergelassenen Haus- und Fachärzte beobachten das Geschehen an unseren Kliniken sehr genau. Wir brauchen deren uneingeschränkte Unterstützung.

Der turn-around ist mit großen Anstrengungen gelungen. Wir trauen es dem gesamten Team zu, diesen Erfolgsweg weiter zu beschreiten. Das Städt. Klinikum hat ohnehin stets betont, dass es auf eine Fusion nicht angewiesen sei. Auch dort ist unternehmerische Klarheit vonnöten.

Die Aussagen, der Kreis setze mit einem Klageverzicht das falsche Signal, sind einfach nicht richtig. Das Signal wurde durch das Kartellamt gesetzt und damit müssen wir fertig werden. Eine aussichtslose Klage, das wäre ein falsches Signal. Damit wäre für viele Beobachter der Eindruck verknüpft, dass es sich die Kliniken nicht zutrauen, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Dass diese Zukunft nicht ohne Risiko ist, ist nicht zu bestreiten. Das aber hat man uns aufgezwungen. Wir wollen auch nicht verschweigen, dass sich die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen nicht weiter verschlechtern dürfen, denn ein Fass ohne Boden kann auch der Kreishaushalt nicht füllen. Deswegen geht unser Appell an die Politik in Bund und Land, aber auch an die Kassen, unsere patientennahe Krankenhausversorgung nicht durch ruinöse Bedingungen in Gefahr zu bringen. Wenn uns der Gesetzgeber durch vorgegebene Preise und Budgets einengt, dann muss er auch seine Pflichten aus der Krankenhausfinanzierung einlösen. Davon sind wir weit entfernt.

Weil nach der Kommunalwahl der jetzige Kreistag nur noch geschäftsführend tätig ist, ist es auch richtig und logisch, dass er diese Entscheidung heute in uneingeschränkter Verantwortung trifft. Unser Landrat, Frau Dostal und Herr Kräh hätten gerne den Vertretern der Stadt die Beweggründe dafür dargelegt. Leider ist die Stadt auf dieses Angebot wegen sog. „Terminprobleme“ nicht eingegangen. Dazu gibt es ein  Sprichwort: Wo ein Wille ist….

Wenn zwei Partner – und dies jeder für sich – Beschlüsse fassen müssen, dann muss halt einer anfangen. Was ist falsch daran, wenn dies der Kreis ist? Eine vorherige verbindliche Absprache wäre auch gar nicht möglich, weil sie die Entscheidungsfreiheit der gewählten Gremien unzulässig einengen würde.

Die Fraktion Freie Wähler wird einer Anfechtungsbeschwerde nicht zustimmen, weil

  • sie von deren Aussichtslosigkeit überzeugt ist und
  • weil wir durch ein solches Rechtsmittel erheblich nachteilige Wirkungen für unsere Kliniken befürchten.

 

 

 

 

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