Der Weg führt zum zweigliedrigen Schulsystem

Prof. Dr. Thorsten Bohl referierte zum Schulsystem in Baden-Württemberg – große Resonanz bei der Kreiskonferenz der Freien Wähler

Das Thema brennt den Schulen, Eltern, Kommunen und den Schülern selbst auf den Nägeln: Quo Vadis Schulpolitik in Baden-Württemberg? Unter dieser Überschrift hatten die Freien Wähler im Landkreis Esslingen zu ihrer jährlichen Kreiskonferenz eingeladen. Die beachtliche Resonanz machte deutlich, dass die Verunsicherung weithin groß ist. In überzeugender Manier zeigte Prof. Bohl auf der Basis von Forschungsergebnissen und seiner Praxiserfahrung mögliche Perspektiven auf. Zahlreiche Fragen in der Diskussion mit rd. 100 Zuhörern vertieften das Referat. 

Wenn man einmal von der aktuellen Flüchtlingsproblematik absieht, gibt es landespolitisch und auf der kommunalen Ebene kein Thema, das die Gemüter mehr erhitzt als die Zukunft des Schulsystems. Die Grün-Rote Landesregierung hat mit dem Wegfall der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlung und dem Angebot der Gemeinschaftsschule das Ende der Haupt- und Werkrealschulen eingeläutet. Dort findet ein drastischer Rückgang der Schülerzahlen statt, während die Zahlen an den Gymnasien enorm steigen. Die Beliebtheit der Realschule ist unverändert.

Das Gymnasium – G 8 – muss gestärkt werden

Bohl ging in seinen fundierten Ausführungen auf die unterschiedlichen Anforderungen an die Lehrkräfte in den verschiedenen Schularten ein und äußerte vor allem Sorge über die berufliche Zukunft der Hauptschullehrer. Er machte deutlich, dass wegen der hohen Bildungsanforderungen der Wirtschaft ein hochwertiges gymnasiales Schulangebot auf der Basis von G 8 unabdingbar sei. Mit einer fundierten Beratung müsse sichergestellt werden, dass die Schüler, die den Weg in das G 8 nehmen, auch die dafür notwendigen Voraussetzungen mitbrächten.

Inklusive und integrierte Schulform als zweite Säule

Als zweite Säule stellte er drei Varianten einer integrierten und inklusiven Schulform vor, die neben einem Hauptschulabschluss einen mittleren Schulabschluss und eine Betonung der gymnasial ausgerichteten Wissensvermittlung vorsehen. Damit sollen die Voraussetzungen für den Weg zu den beruflichen Gymnasien, quasi als „Ersatz“ für G 9, verbessert werden. Je nach Variante sind die Zeiten gemeinsamen Lernens und der Ausrichtung auf den jeweiligen Abschluss unterschiedlich.

Lebendige Diskussion

Die zahlreichen Fragen, erkennbar waren unter den Zuhörerinnen und Zuhörern eine Reihe von Pädagogen, zeigten auf, dass noch vieles im Dunkeln liegt. Unabhängig davon, wer künftig die Regierung stellt, muss die Landespolitik rasch Klarheit schaffen. Dies gilt sowohl für die Schulen und ihren Bildungsauftrag selbst, als auch für die Kommunen, die vor großen Investitionen stehen und derzeit nicht reagieren können.

Deutliche Kritik am Vorgehen der Landesregierung

Kreisvorsitzender Bürgermeister Frank Buß, der eingangs den Referenten und die Gäste begrüßt hatte, hatte klare Formulierungen parat. Er ging auf die schwierigen Rahmenbedingungen ein, in der Schulstrukturen neu geordnet werden müssen. Der demografische Faktor, die steigenden Anforderungen an Eltern auf dem Arbeitsmarkt und ein sich veränderndes Familienbild brächten das dreigliedrige Schulsystem ins Wanken. Trotz erstklassiger pädagogischer Arbeit würden die Werkrealschulen abgewählt. Dies stelle vor allem Schulträger mit mehreren weiterführenden Schulen bei der Schaffung künftiger Schulstrukturen vor enorme Probleme, da jede Schule ihre eigenen Interessen verfolge. Obwohl an vielen Schulen dringender Sanierungsbedarf bestehe, verzögerten sich Investitionen, da unklare Schulstrukturen fundierte Planungen massiv erschwerten. „Es ist die Landesregierung, die für riesige Lücken zwischen pädagogischer Zielsetzung und konkreter Umsetzung im schulischen Alltag verantwortlich ist, den schwarzen Peter aber an die Kommunen weitergeschoben hat“, brachte Buß die Dinge auf den Punkt.

Der Vorsitzende der Kreistagsfraktion, Bürgermeister Bernhard Richter aus Reichenbach, machte in seinem Schlusswort ebenfalls seinen Unmut über das Vorgehen der Landesregierung deutlich. „Mit ihrer Hoppla-Hopp-Politik hat die Landesregierung ein unbeschreibliches Chaos angerichtet. Durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung bricht die Hauptschule weg, ohne dass die zweite Säule im Schulsystem stabil installiert ist. Das bringt vor allem Verunsicherung bei den Eltern und Frustration bei den Lehrern“, nahm er kein Blatt vor den Mund.

 

 

 

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