Haushalt 2021 des Kreises – ein Haushalt mit Mut und Zuversicht

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie kann noch niemand einigermaßen verlässlich aufzeigen. Um die Wirtschaft insgesamt zu stabilisieren und damit Hunderttausende von Arbeitsplätzen zu erhalten, mussten die entsprechende Stützungsprogramm über riesige Schuldaufnahmen finanziert werden. Weil noch völlig offen ist, in welchem Zeitraum diese Kredite wieder getilgt werden können, sind alle öffentlichen Haushalt mit langfristiger Voraussicht und besonderer Sorgfalt aufzustellen. Dazu ist neben Mut auch Zuversicht angezeigt, damit nicht ängstliches Verhalten die Volkswirtschaft lähmt. Von dieser Prämisse geht auch der Entwurf des Haushalts 2021 des Landkreises aus. Ein weiteres Merkmal ist im Sinne einer guten Partnerschaft die Rücksichtnahme auf die Finanzlage der Städte und Gemeinden.

In der Generaldebatte zum Etat hielt der Vorsitzender der Fraktion Freie Wähler, Kreisrat Bürgermeister Bernhard Richter, die nachstehend im Wortlaut wiedergegebene Rede:

Da wegen der Pandemieregeln eine öffentliche Kreistagssitzung nicht möglich war, wurden die Reden der Fraktionssprecher in einer Videoaufzeichnung dokumentiert. Sie können das Video hier herunterladen:

https://www.landkreis-esslingen.de/start/landkreis/reden+zum+haushalt+2021.html

„Sehr geehrte Damen und Herren,

besondere Umstände erfordern besondere Maßnahmen. Dass wir im Moment besondere Umstände haben ist, denke ich, unstreitig – auch wenn jeder diese besonderen Umstände anders definiert. Für die einen ist diese Pandemie eine in dieser Form noch nie dagewesene Herausforderung der modernen Gesellschaft – wollen wir unsere Werte sichern? – wie den Schutz der Älteren, der Kranken, der Risikogruppen und unser gesamtes Gesundheitssystem? Für andere sind die Maßnahmen überzogen, schränken zu sehr ein oder gefährden die Wirtschaft und damit unseren Wohlstand.

Und für die ganz anderen ist das alles eine große Verschwörung. Die letzte Gruppe gab’s schon immer – die selbst ernannten Erleuchteten muss eine Gesellschaft und eine Demokratie aushalten.

Für diejenigen, die in der jetzigen Krise Angst um sich und ihre Zukunft haben, habe ich Verständnis. Selten war die Zukunft so ungewiss wie im Moment. Ob die jetzt ergriffenen Maßnahmen erfolgreich sind, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen. Was wir auf keinen Fall erleben wollen, sind überfüllte Intensivstationen – oder noch schlimmer – dass PatientInnen abgewiesen werden müssen. Und wir hoffen natürlich auf einen wirksamen Impfstoff, der uns hoffentlich bald wieder ein normales Leben ermöglicht…

Auch hier auf der kreispolitischen Ebene haben wir es uns nicht leichtgemacht. Wir haben darüber diskutiert, ob eine Sitzung mit rund 100 Kreisräten und der Verwaltung, der Presse und der Öffentlichkeit gerade in der Zeit stattfinden soll, wo ganze Branchen dem Teil-Lockdown „zum Opfer“ fallen.

Es gibt gute Gründe, die Sitzung öffentlich durchzuführen:

  • Gerade in der Krise muss der demokratische Prozess funktionieren
  • Die Generaldebatte ist das „Königsrecht“ des Kreistags und sollte nicht leichtfertig geopfert werden
  • Diese Art von Sitzung ist ausdrücklich vom Shutdown ausgenommen und darf deshalb stattfinden

Andrerseits gibt es aber auch gute Gründe, diese Sitzung nicht abzuhalten:

  • Sowohl im Kreistag wie in der Verwaltung sind viele VertreterInnen der Risikogruppen
  • In dieser Sitzung sind keine Beschlüsse zu fassen
  • Man kann trefflich darüber streiten, ob wir in diesen Tagen zwingend öffentlich tagen müssen, wo Restaurants, Hotels, Kulturschaffende und viele andere schließen müssen

In Abwägung dieser Argumente haben wir uns dazu entschieden, in diesem einen Fall ein „besonderes“ Format zu wählen – die Haushaltsreden werden als Aufzeichnung öffentlich gemacht und die Sitzung selbst fällt aus. Die Vorberatungen zum Haushalt werden aber in jedem Fall öffentlich in den Ausschüssen stattfinden.

Impulsgeber

Wir Freien Wähler verstehen wir uns grundsätzlich als Impulsgeber für wichtige kreispolitische Themen. In der aktuellen Lage sagt einem jedoch der gesunde Menschenverstand, dass wir alle Kräfte für die Bewältigung der Covid-19-Pandemie einsetzen müssen. Mit Rücksicht auf die hohe Belastung der Kreisverwaltung, werden wir im Rahmen dieser Haushaltsberatungen deshalb lediglich einen Antrag zur Kreisumlage stellen.

Klimaschutz

Das Klimaschutzkonzept mit seinem sehr umfangreichen Maßnahmenkatalog bietet die besten Möglichkeiten zum aktiven Mitarbeiten am Klimaschutz.

Wir setzen auf das Engagement der Wirtschaft. In unserer Region gibt es viele kluge Köpfe und engagierte Unternehmen. Und wir setzen auf Eigeninitiative. Die Klimaschutzagentur hilft dabei. Wir freuen uns, dass der allergrößte Teil der Einwohnerschaft unseres Landkreises über ihre Wohngemeinde dabei ist.

Gute Beispiele für die Förderung im Sinne des Klimaschutzes sind:

  • Die Elektrifizierung der Mobilität auf Schiene und Straße
  • Energieerzeugung auf regenerativer Basis
  • Effizienzsteigerungen bei Maschinen und Geräten und am Ende der Nutzung
  • Das Recyceln von wertvollen, wiederverwendbaren Materialien

Vergessen dürfen wir nicht die Klimafolgenanpassung. Bereits heute spüren wir die Folgen des Klimawandels, z.B. Trockenheit auf landwirtschaftlichen Anbauflächen und im Wald und zunehmende extreme Wetterereignisse hier bei uns vor der Haustüre. Das muss uns zum Handeln animieren.

Vorfahrt für Bildung

Wie eine Perlenkette ziehen sich die Investitionen im Landkreis Esslingen für den Bildungs- und Schulbereich durch die Haushalte der letzten Jahre:

  • Nach rund zehn Jahren steht nun die Generalsanierung der Rohräckerschule in Esslingen vor dem Abschluss; Gesamtinvestition dafür: 55,8 Mio. €
  • Neubau der Sporthalle Zell für rund 5,7 Mio. €
  • Neubau der Albert-Schäffle-Schule in Nürtingen für 28,3 Mio. €
  • Für Sanierung, Umbau und Erweiterung der Bodelschwinghschule in Nürtingen ab 2020 werden in Summe im Ergebnis- und Finanzhaushalt rund 23,4 Mio. € veranschlagt.
  • Das sind insgesamt 113 Mio. € alleine für das Erstellen oder Sanieren von Schulgebäuden im genannten Zeitraum. Einen eindrücklicheren Beweis für den überragenden Stellenwert für Schule und Bildung kann es nicht geben.

Die Digitalisierungsstrategie und die Fortschreibung des Medienentwicklungsplanes an den Kreisschulen wird in den kommenden fünf Jahren mit 13,4 Mio. €, bei einer Förderung durch den Digitalpakt in Höhe von 5,5 Mio. €, zu Buche schlagen.

In der Phase des „Lockdowns“ im Frühjahr hat sich gezeigt, wie weitsichtig der bisher schon energisch vorangetriebene Ausbau der digitalen Infrastruktur an unseren Schulen war, damit wurde Home-schooling unter heutigen Ansprüchen ermöglicht. Wir befürworten und unterstützen die Investitionen im Schulbereich in vollem Umfang!

Wir unterstützen Sie, Herr Landrat, bei Ihrer Forderung nach einem verstetigten Engagement von Bund und Land für den technischen Support an den Schulen. Gleiches gilt für die Kostenübernahme der Nachmittagsbetreuung an den SBBZ und den Schulkindergärten durch das Land. Es kann nicht sein, dass Eltern und Schulträger bei dieser unentbehrlichen Aufgabe alleine gelassen werden.

Neubau Landratsamt

Dass eine Verwaltung auch ein leistungsfähiges Haus braucht ist, glaube ich, selbstverständlich. Dass ein gerade 40 Jahre altes Gebäude nicht mehr wirtschaftlich saniert werden kann, ist allerdings für viele unverständlich. Das kann ich absolut nachvollziehen.

Auch für uns Freien Wähler war die Entscheidungsfindung hin zu einer Neubaulösung alles andere als ein Selbstläufer.

Viele Fragen, die jetzt in den Leserbriefspalten zu lesen sind, wurden schon vom Kreistag gestellt und schlüssig beantwortet. Das alte Haus hat erhebliche Brandschutzprobleme – heute zwingend benötigte Techniken sind nicht oder nur unzureichend vorhanden und vor allem, das Haus ist deutlich zu klein.

Also was tun? Wir haben den Vergleich Sanierung mit Anbau einem kompletten Neubau gegenübergestellt.

Der Neubau ist wirtschaftlicher. Der ökologische Fußabdruck auf die Gesamtlaufzeit ist gleich. Die Möglichkeiten auf künftige Veränderungen flexibel zu reagieren geht nur in einem Neubau.

D.h. nach jahrelangem Untersuchen und Begutachten hat sich der Kreistag mit überwältigender Mehrheit über alle Fraktionen hinweg für die Neubaulösung ausgesprochen. Gerade in der letzten öffentlichen Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses wurden unter anderem viele offene Fragen zum Geld und zum Klimaschutz diskutiert. Schade, dass die besonders in diesem Fall kritischen Leute sich nicht aus erster Hand informiert haben. Dass ein Verwaltungsneubau nicht besonders populär ist, ist allerdings für uns auch keine neue Erkenntnis.

Kliniken

Hervorragende Medizin wird im Landkreis Esslingen wohnortnah angeboten. Unsere Medius-Kliniken sind nach wie vor hervorragend aufgestellt und sehr stabil und dies obwohl auch hier die Corona-Pandemie viel durcheinandergebracht hat – planbare Operationen mussten verschoben werden – viele Leute trauen sich derzeit nicht ins Krankenhaus uvam.

Dies hat natürlich auch wirtschaftliche Auswirkungen.

Unglaubliches wurde vom Klinikpersonal in der bisherigen Pandemie geleistet. Viele MitarbeiterInnen fast aller Bereiche arbeiteten am Limit oder darüber hinaus. Deshalb hat sich der Aufsichtsrat zu Recht Gedanken darübergemacht, wie diese Leistung mit einer Sonderzahlung auch honoriert werden kann.

Soziale Sicherung

Im Bereich der sozialen Sicherung hat es jahrelang heftige Diskussionen darüber gegeben, ob die finanziellen Lasten angemessen verteilt sind. Jetzt hat es einen durchgreifenden Erfolg für die kommunale Seite gegeben, denn der Bund erhöht seine Beteiligungsquote an den Kosten der Unterkunft bei Hartz IV von 52% auf 75%. Das ist in Geld eine jährliche Entlastung von rund              15 Mio. €!

Sorge bereitet uns aber nach wie vor die Gesamtbelastung für den Haushalt von über 250 Mio. € – eine unglaubliche Summe. Natürlich ist jede einzelne Maßnahme, die sich in dem Gesamtbetrag versteckt richtig und wichtig – aber ob sich die Gesellschaft das auf Dauer leisten kann ist schon fraglich.

Aus Teilen der Politik, von den Sozialverbänden und von den Kirchen hören wir häufig, dass diese hohen Sozialausgaben ein Beleg für die hohe Armut in Deutschland sind. Für uns Freien Wähler ist diese Zahl jedoch ein Ausdruck für eine solidarische Gesellschaft, denn im Gegensatz zu den Armen und Schwachen in weiten Teilen dieser Welt gibt es in Deutschland keine Almosen, sondern klare Regelungen und konkrete, einklagbare Ansprüche. Das ist ein Qualitätsmerkmal unseres Landes, auf das wir stolz sein dürfen. Der Steuerzahler, der diese Solidarleistung bezahlt, hat aber auch das Recht, diese Zahlen zu kennen.

Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften ist seit dem Lockdown von 10.428 im März 2020 auf 12.065 im August 2020 rapide gestiegen. Hier greifen die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende, für die auch der Landkreis und damit die Städte und Gemeinde geradestehen müssen. Wir dürfen den Fokus aber nicht nur auf die Schwachen dieser Gesellschaft richten, sondern auch auf den Mittelstand. Auf Familien, die mit 2 Einkommen Wohneigentum erworben haben und nun von Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit bedroht sind. Auf Selbständige, deren Erwerbsgrundlage in der Corona-Krise weggebrochen ist, die ohne Lebensgrundlage und oft mit hohen Schulden dastehen. Auf StudentInnen, deren finanzielle Unterstützung durch ihre Eltern wegbricht.

Die Bewältigung der Corona-Pandemie und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt lassen für 2021 und die Folgejahre gerade im Mittleren Neckarraum nichts Gutes erwarten.

ÖPNV

Der ÖPNV gerade im Verdichtungsraum hat eine unglaubliche Bedeutung. Deshalb ist der vom Landkreis zu erbringende Anteil auch viel höher, als im ländlichen Raum. Dass die NutzerInnen einen angemessenen Anteil selbst zu bezahlen haben, ist richtig und fair.Im Landkreis Esslingen wird permanent an Verbesserungen des Angebots gearbeitet und gefeilt, was zusätzlich immense Investitionskosten mit sich bringt. Dass Kosten ständig steigen ist u.a. mit den Gehaltsanpassungen verbunden. Deshalb muss auch immer wieder der Fahrpreis der Kostensituation angepasst werden.

Wenn Minister aus politischen Gründen sagen, dafür wäre jetzt nicht die richtige Zeit – sorry, aber für Gebührenanpassungen ist nie die richtige Zeit – dann muss dieser Minister aber auch bereit sein, die fehlenden Einnahmen über seinen Etat dauerhaft auszugleichen. Ansonsten ist das reiner Populismus zu Lasten der Partner beim ÖPNV.

Finanzen

 Die ursprüngliche Version des Haushaltsplans war schon gedruckt, als vom Land die erhöhten Kopfbeträge zum Finanzausgleich kamen. Diese Haushaltsverbesserungen in Höhe von über 25 Mio. € sind nun ins Änderungsverzeichnis mit aufgenommen worden, das bereits bei der Haushaltsplaneinbringung mitgeliefert wurde. Das hat es, glaube ich, noch nie gegeben. Hiervon wurden allerdings lediglich 10,3 Mio.€ zur Senkung der Kreisumlage eingesetzt.

Wir haben uns intensiv mit dem Zahlenwerk auseinandergesetzt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass auch ein Kreisumlagehebesatz von 30 % für den Landkreis gut auskömmlich ist. Dies sehen wir auch im Sinne einer fairen Finanzpartnerschaft zwischen dem Landkreis und seinen Kommunen für geboten und notwendig. Viele Kommunen können im Jahr 2021 ihren eigenen Haushalt bei weitem nicht ausgleichen. Wenn wir die Finanzlage nach der Liquidität betrachten, liegt diese trotz schon eingeplanter Einzahlung von 8 Mio.€ in den 3. Bausparvertrag, was wir ausdrücklich begrüßen, und einer Reduzierung der im Haushaltsplanentwurf eingeplanten Darlehensaufnahme um 8,7 Mio.€ zum Jahresende 2021 um 22,3 Mio. € über dem gesetzlichen Mindestbestand. Wir sehen trotzdem einen Risiko-Puffer für das Jahr 2021 für notwendig an, über den wir uns entweder beim Finanzzwischenbericht 2021 oder bei der Haushaltsplandebatte 2022 unterhalten werden.

Aber auch die Betrachtung der Haushaltssituation aus der Sicht des Ergebnishaushaltes ermöglicht diesen Schritt, zumal wir davon ausgehen, dass die Kreisverwaltung auch schon mit dem ursprünglichen Entwurf einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegt hat. Wir halten es für vertretbar, von den zusätzlichen 25,6 Mio.€ aus dem Finanzausgleich einen Teilbetrag von rund 7 Mio. € zur Absenkung der Kreisumlage 2021 zu verwenden.

Zum Abschluss möchte ich mich im Namen der Freien Wähler bei allen HeldInnen des Alltags ganz herzlich dafür bedanken, dass sie ganz maßgeblich dazu beitragen, dass das öffentliche Leben überhaupt aufrechterhalten werden kann. Das reicht vom Gesundheitsamt bis zu den Kliniken, wo viele MitabeiterInnen in den unterschiedlichsten Bereichen weit überdurchschnittlich belastet sind und ihren wichtigen Beitrag leisten, dass es in Deutschland und hier konkret im Landkreis Esslingen trotz aller Probleme weitergeht.

Unser Dank geht aber auch an alle BürgerInnen, die sich in der Krise vernünftig und solidarisch verhalten und auch damit mithelfen, dass die Folgeschäden der Krise nicht noch schlimmer werden!“

Mit Rücksicht auf die Finanzlage und um eine unnötige Mehrbelastung der Verwaltung und der Kreisgremien zu gewährleisten, stellt die Fraktion Freie Wähler nur einen Antrag:

Antrag zum Haushalt 2021

Die Kreisumlage wird auf 30 Punkte festgesetzt

 

 

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