Finanzierung der Kreiskliniken gGmbH

Fraktionsvorsitzender Alfred Bachofer

Kreistagssitzung am 21. Juli 2011
Finanzierung der Kreiskliniken gGmbH

Ein Defizit von 6 Mio. €, bei strenger Betrachtung sogar von 8 Mio. €, – eine unangenehme Überraschung, ein Schock? Für den aufmerksamen Beobachter bestenfalls hinsichtlich der Höhe. Erstaunlich ist allerdings, dass die Geschäftsleitung bei Aufstellung des Wirtschaftsplanes 2010 noch von einem ausgeglichen Ergebnis ausging, also die Entwicklung völlig falsch eingeschätzt hat. Die Ursachen, die jetzt für den Absturz ausgemacht werden, waren schon länger bekannt.

Ist also die Klinikgeschäftsführung allein verantwortlich oder muss man doch tiefer gehen?

Ich will, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, mit 10 Thesen den Gründen nachgehen. Vorab, auch wir als Kreistag bekommen dabei unseren Teil ab – und zwar durchaus kräftig.

  • Kein wirklicher freier Wettbewerb
    Ein Unternehmen wie unsere Kliniken hat nur Chancen auf ein positives Ergebnis, wenn es sich einem echten Wettbewerb stellen kann. Einen solchen gibt es nur bedingt und er kann auch nicht uneingeschränkt stattfinden, da sonst Kliniken nur arabische Scheichs behandeln würden. Wegen des gemeinnützigen Auftrags unterliegen Kliniken starken Beschränkungen, die nur dann vertretbar wären, wenn sie durch öffentliche Gelder ausgeglichen würden. Was ist die Realität?
    -Über die Erlöse sollten keine großen Bauinvestitionen
    zu refinanzieren sein. Tatsächlich gewährt das Land nur ca. 50 % der Baukosten als Zuschuss. Damit wird der gesetzliche Auftrag, notwendige Bauinvestitionen zu 100 % zu fördern, missachtet. Mal sehen, ob die neue Regierung die angekündigten Verbesserungen auch umsetzt. Genügend Stellen hat sie dafür ja geschaffen.
    -Durch die Deckelung der Budgets werden Kostensteigerungen bei weitem nicht aufgefangen.

 

  • Großer Nachholbedarf in Ruit und Kirchheim, Sondersituation durch Neubau in Nürtingen
    Die guten Ergebnisse vergangener Jahre sind auch auf unterlassene Investitionen und Sanierungsmaßnahmen in Ruit und Kirchheim zurück zu führen. Im Grunde entstanden dadurch versteckte Schulden, die jetzt ergebniswirksam abgetragen werden müssen. Eine Sondersituation ist die Asbestsanierung in Nürtingen, die trotz einer – allerdings teilweise zweckfremd aufgelösten – Rückstellung nicht von der Klinik-GmbH finanziert werden kann.

 

  • Wohnortnahe und dezentrale Versorgung als Credo des Kreistags
    Das Gutachten, das der Strukturentscheidung des Kreistags zugrunde lag, hatte eine deutlich stärkere Konzentration vorgeschlagen. Wir haben bewusst anders entschieden und dadurch ein um Millionen schlechteres Jahresergebnis in Kauf genommen.

 

  • Verfestigung der dezentralen Lösung durch von der Klinikgeschäftsführung vorgeschlagene Großinvestitionen
    Die Geschäftsführung vertrat in Umsetzung der Kreistagsentscheidung die Linie: Wenn schon mehrere Standorte, dann doch mit weitgehend voll funktionsfähigen Häusern bei gewisser Schwerpunktbildung. Auch dieser Linie sind Betriebsausschuss und Kreistag trotz hoher Kosten gefolgt.

 

  • Neu entstandene Doppelstrukturen, z.B. Strahlentherapie am Klinikum Esslingen
    Statt engerer Kooperation und Abgrenzung der Geschäftsfelder macht man sich auf einem Gebiet Konkurrenz, das keine zwei Anbieter verkraftet. Das kostet beide Kliniken viel Geld.

 

  • Verspätete Gegensteuerung durch die Geschäftsführung
    Die Geschäftsführung hat den Ertragseinbruch zu spät erkannt und dementsprechend nicht rechtzeitig gegengesteuert. Manche Maßnahmen im jetzt aufgestellten Konsolidierungspaket hätten längst ergriffen werden können. Ein Privatunternehmer hätte nach einer solchen Fehleinschätzung den „schwarzen Hut“ aufsetzen müssen.

 

  • Unzutreffende Einschätzung der finanziellen Folgen des neuen Gesundheitszentrums Ruit
    Das ist äußerst ärgerlich und wird das Ergebnis wohl noch einige Jahre zusätzlich belasten. Die Zahlen sind schlechter als die damals angestellte worst-case-Betrachtung. Ich bezweifle, ob in Kenntnis der heutigen Zahlen ein Baubeschluss gefasst worden wäre.

 

  • Entscheidungen des Aufsichtsrats sind nur so gut wie ihre Vorbereitung
    Der Aufsichtsrat nimmt seine Aufgabe mit großen Nachdruck war, hatte aber – wie sich nachträglich herausgestellt hat – nicht immer ausreichend Zeit und aussagekräftige Beratungsunterlagen. Die langfristigen Auswirkungen mancher Beschlüsse lassen sich allerdings gegenwärtig noch nicht bewerten, d.h. sie können sich auch zum Guten wenden.

 

  • Großbaumaßnahmen und fehlende Parkplätze sind eine schwere Hypothek
    In Ruit und auch in Nürtingen, dort vor allem durch die eingetretene Bauverzögerung, waren und sind große Betriebserschwernisse gegeben, die das Ergebnis zusätzlich verschlechtert haben. Auf das Ärgernis der Baukostenüberschreitung beim Neubau auf dem Säer möchte ich nicht im Detail eingehen. Aber eines ist klar:
    Der Architekt hat die Baukosten heruntergerechnet, damit der Baubeschluss nicht in Gefahr geriet. Vieles haben uns Architekt und Geschäftsleitung im Nachhinein als unverzichtbar präsentiert, obwohl es genau dies von Anfang an war. Die Zeche zahlt jetzt der Kreistag.

 

  • gGbmH – mehr unternehmerische Freiheit, aber auch mehr Verantwortlichkeit
    Landrat, Geschäftsführer Winkler und die Kreistagsmehrheit wollten die gGmbH. Damit ist der Kreistag aus vielen Entscheidungsprozessen ausgestiegen. Geschäftsleitung und Aufsichtsrat sind damit in einer erhöhten Verantwortung. Damit verbunden ist aber auch die Gefahr von Entscheidungen zu Lasten der Kreiskasse.

 

Da wir als Kreistag die jetzigen Strukturen gewollt haben, müssen wir insoweit auch mit in die Verantwortung. Daran ändert auch Kritik aus der Stadt Esslingen nichts, die sich natürlich neben dem Unterhalt für das eigene Haus nicht gerne am Defizit beteiligt. Die Esslinger haben mit ihrem Haus der mehrstufigen Versorgung deutlich günstigere Rahmenbedingungen und auch nicht einen derart hohen Investitionsbedarf. Ein Vergleich mit der Situation im Landkreis ist daher nicht zulässig. Damit will ich aber nicht bestreiten, dass in unseren Häusern manches besser laufen könnte.

Der Vorschlag des Landrats, mitgetragen durch einen Empfehlungsbeschluss des Verwaltungs- und Finanzausschusses ist ohne wirkliche Alternative. Der Kreis ist Träger der Gesundheitsversorgung im stationären Bereich und muss seine Häuser funktionsgerecht erhalten. Dies kann und darf aber nicht bedeuten, dass diese im jetzigen Umfang auf Dauer am Tropf des Kreisetats hängen. Die Zustimmung zur vorgeschlagenen hälftigen Defizitübernahme und zur Finanzierung von Großinvestitionen ist kein Freibrief sondern im Gegenteil die klare Verpflichtung zu einem besseren Wirtschaften in den kommenden Jahren.

Die kurzfristigen Prognosen sind eher skeptisch und es droht daneben das Damoklesschwert der Asbestsanierung in Nürtingen. Wir müssen sie aufschieben, solange es irgendwie geht, damit der Kreis sie nicht noch neben einem laufenden Betriebszuschuss mitfinanzieren muss.

Ebenso klar ist unsere Position zur Finanzierung von Großinvestitionen. Für die zurückliegende Zeit und bereits laufende Maßnahmen muss der Kreis wohl oder übel ins Boot. Neue Investitionen können Klinik und Aufsichtsrat nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Kreistags in Angriff nehmen. Hier gilt in Umkehrung der Satz: „Wer bezahlt – bestellt.“ Die Kliniken brauchen eine Konsolidierungsphase und kein Hüpfen von einem schlecht vorbereiteten Baubeschluss zum nächsten.

Nach diesen zwangsläufig kritischen Tönen darf die Anerkennung für die unter hohem Druck arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinikverwaltung nicht ausbleiben. Es ist einfach zuviel, was gegenwärtig abzuarbeiten ist. Da entsteht bei höchstem zeitlichem und persönlichem Einsatz ungesunder Stress mit der Folge von Fehlerquellen.

Ein hohes Lob gilt der medizinischen Qualität unserer vier Häuser. Mit ganz wenigen Einschränkungen wird dort eine hervorragende medizinische Leistung erbracht – gleichermaßen durch die Ärzteschaft wie durch das Pflegepersonal. Die Zunahme der Patientenzahlen und der Fallschweregrade sind ein Beleg dafür. Dies wird sich nach Abschluss der großen Baumaßnahmen noch spürbar verbessern. Der Neubau auf dem Säer zeigt dies bereits.

Ein Schelm, der einen Zusammenhang zwischen dem Finanzzwischenbericht und dem Vorschlag zur Defizitabdeckung und künftigen Investitionsfinanzierung vermutet. Das gute Ergebnis 2010 und die zu erwartenden Mehreinnahmen 2011 im Kreishaushalt machen das Defizit bei den Kliniken nicht besser, es ist nur leichter zu verkraften, zumal die Rücklagen nicht angegriffen werden müssen. Ich will mir nicht ausmalen wie das aussehen würde, wenn wir noch oder wieder Verhältnisse hätten wie 2009. Ein Dank dem Wirtschaftsaufschwung.

Dennoch eine klare Ansage: Auch wenn wir den Versorgungsauftrag in der Fläche hoch gewichten. Eine Subvention in Höhe von 2 Punkten Kreisumlage kann und darf es auf Dauer nicht geben. Wir sind schon durch die Kosten für den ÖPNV und überdurchschnittlich hohe Soziallasten weit über dem Landesdurchschnitt gefordert. In unseren Kommunen gehen steigende Aufgaben und höhere Zahlungen an den Landkreis und die Region mit stagnierenden Einnahmen einher. Irgendwann lässt sich diese Schere nicht mehr schließen.

Zum Schluss sei mir noch gestattet, auf die Diskrepanz zwischen lautstark geäußerten Bürgermeinungen an den Standorten und zur Bereitschaft, die eigenen Häuser auch bevorzugt aufzusuchen, hinzuweisen. Der Patiententourismus nimmt stetig zu und ich bin mir nicht so sicher, ob die Kommunen und ihre Bürgerschaft bereit sind, auf Dauer zugunsten der Kliniken auf eigene Wünsche oder gar Pflichtaufgaben zu verzichten. Wenn wir auf lange Sicht nicht aus dem Dilemma der Subventionierung herauskommen, wird man zwangsläufig auch „heilige Kühe“ auf Futterentzug setzen müssen. Oder klarer ausgedrückt: Angesichts der geringen Distanzen im Landkreis kann es durchaus vertretbar sein, Doppelvorhaltungen oder unwirtschaftliche Strukturen auf den Prüfstand zu stellen. Allerdings muss das Kosten/Nutzen-Verhältnis sorgfältig geprüft werden ehe man einen Vorwärts-Rückwärts-Salto einübt.

Ich komme zum Ausgangspunkt meiner Betrachtungen zurück: Wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen. Wir haben eine teure Klinikstruktur beschlossen und müssen insoweit auch zur Mitfinanzierung bereit sein. Das jetzt bezifferte und für die kommenden Jahre zu erartende Defizit liegt aber deutlich über der Schmerzgrenze. Unsere Fraktion fordert Aufsichtsrat und Klinikgeschäftsführung mit allem Nachdruck auf, das vorliegende, in zeitlicher Hinsicht sehr anspruchsvolle, Konsolidierungspaket konsequent umzusetzen und die angekündigte Nulllinie zügig anzustreben.

Wer sich nicht dazu bereit finden kann, die von der Verwaltung beantragte volle Investitionsfinanzierung für die laufenden Maßnahmen zu akzeptieren, muss wissen, dass die Kliniken ab dem kommenden Jahr nicht mehr in der Lage sein werden, die begonnenen Bauprojekte fortzusetzen. Da das Eigenkapital der Kliniken weitgehend aufgebraucht ist, würde sich der Geschäftsführer bei einem anderen Verhalten in Haftung begeben.

Ein Freifahrschein für die Zukunft ist unsere heutige Zustimmung zum Beschlussantrag nicht. Wie sagte doch Victor Hugo: „Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“

Und ich füge hinzu: Für die Tüchtigen die Aussicht auf Erfolg.

 

Ansprechpartner:

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